Filmkritik: Ready Player One

Filmkritik: Ready Player One

Ready Player One ist ein visuell eindrucksvoller und rasant erzählter Science-Fiction-Streifen, der die Stärken und Schwächen seiner Romanvorlage erbt. Der VR-Branche gibt der Film inhaltlich keine neuen Impulse und es wäre eine Überraschung, würde er die Verkaufszahlen von VR-Brillen verbessern.

Um das Buch auf die große Leinwand zu bringen, nahm sich Spielberg erstaunlich wenig erzählerische Freiheiten heraus: Er straffte die Geschichte und brachte einige Szenen in eine Form, die dem Medium Film angemessener ist. Dennoch bleibt er dem Geist des Buches und seiner Geschichte weitgehend treu. Sogar zu treu: Die Verfilmung hat die gleichen Schwächen wie Ernest Clines Buch.

Zu den Stärken der literarischen Vorlage gehören die bildgewaltigen Szenarien, die förmlich danach schreien, auf Film gebannt zu werden. Spielberg war aus mehreren Gründen ein hervorragender Kandidat für ein solches Vorhaben: Er ist ein begnadeter Konstrukteur imaginativer filmischer Welten. Und seine Filmen prägten die Zeit und Popkultur, die vom Buch in fast schon religiöser Manier gefeiert wird.

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Visuelles Effektfeuerwerk

Der visuelle Aspekt des Films beeindruckt am meisten. Weniger die Kampf- und Schlachtszenen, die man so ähnlich schon in zahllosen CGI-lastigen Hollywood-Filmen gesehen hat. Ich denke eher an Spielbergs lustvolle Vision der Oasis als vor Kreativität und Leben überschäumender digitaler Zwischenwelt.

[blockquote]Weshalb macht die Menschheit so viel Aufhebens um ein Videospiel, während die reale Welt vor die Hunde geht?[/blockquote]

Die im Film gezeigte Virtual Reality ist kein Abbild der Wirklichkeit, sondern eine phantastische Interpretation derselben, die ihren digitalen Ursprung und Charakter nicht leugnet. Sie ist reizvoll, wenn auch etwas unheimlich, wirkt vertraut und fremd zugleich.

Die realistische Darstellung menschlicher Figuren mittels Computergrafik ist bekanntlich ein Drahtseilakt: Die computergenerierten Charaktere müssen menschlich wirken, aber nicht zu menschlich. Ansonsten wirken sie befremdlich. Im Falle der Hauptfiguren Parzival und Art3mis ist das Spielbergs Team gut gelungen.

Eine Zitate-Orgie

Leider hat das Figurenensemble kaum Luft, sich zu entfalten, da der Film atemlos von einer Actionszene zur nächsten hetzt. Die schwache Charakterzeichnung führt dazu, dass man den Figuren und ihren Motiven gegenüber gleichgültig ist. Damit geht dem Film der emotionale Kern ab, der als Motor der Geschichte fungieren sollte.

[blockquote]Wer nicht Teil der 80er Jahre Generation, Gamer oder Nerd ist, wird die zahlreichen Anspielungen nicht verstehen und sich ausgeschlossen fühlen.[/blockquote]

Die Protagonisten führen einen Krieg gegen einen korrupten Großkonzern, aber der Film macht den Grund nicht verständlich. Weshalb macht die Menschheit so viel Aufhebens um ein Videospiel, während die reale Welt vor die Hunde geht?

Natürlich ist die Oasis mehr als nur ein Videospiel. Sie steht für die Gesamtheit der Popkultur und in einem höheren Sinn für den freien Raum der Kunst, der menschlichen Kreativität und Meinungsäußerung.

Aber der Film macht das nicht deutlich. Stattdessen verliert er sich in popkulturellen Zitaten aus reinem Selbstzweck. Nur: Wer nicht Teil der 80er Jahre Generation, Gamer oder Nerd ist, wird die zahlreichen Anspielungen nicht verstehen und sich ausgeschlossen fühlen.

Verweise auf andere Werke sind legitim und so alt wie die Kunst selbst, aber sie sollten eine ästhetische oder erzählerische Funktion erfüllen. Cline und Spielberg kümmert das nicht und so wirken Buch und Film stellenweise wie ein Zitate-Flickwerk ohne eigene Bedeutung.

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Die Oasis zeigt den Weg aus der Oasis

Der Sinnleere dieser popkulturellen Selbstbezüglichkeit hat Spielberg wenig entgegenzusetzen und so ermüdet das Effektfeuerwerk bereits nach der Hälfte des Films. Das ist schade, denn die Geschichte von Ready Player One hat Aussagekraft.

Die Leitfrage der literarischen Vorlage sowie des Films ist die nach dem Verhältnis der Virtual Reality zum wirklichen Leben. Ready Player One erzählt die tragische Geschichte eines einsamen Genies, das sich aus Angst vor dem Leben in eine künstliche Welt zurückzog und mit seinem letzten und größten Meisterwerk, der von ihm arrangierten Easter-Egg-Jagd, ein Spiel in Gang setzt, das seinen Protagonisten hilft, den Weg ins Leben zurückzufinden. Und somit Hallidays eigene Versäumnisse nicht zu wiederholen.

[blockquote]Ready Player One wirkt deshalb so seelenlos, weil es nicht das Leben, sondern die Oasis feiert.[/blockquote]

Das ist ein mächtiger Erzählstoff, der nahelegt, dass virtuelle Welten nur dann wirklich Sinn ergeben, wenn sie zum Leben hinführen. Das ist die Erkenntnis, das eigentliche Easter Egg, das Halliday Wade Watts als dem würdigen Erben der Oasis am Ende mit auf den Weg gibt. Der sagt im letzten Satz des Buches: "Zum ersten Mal in meinem Leben konnte mir die OASIS gestohlen bleiben."

Schade ist, dass das wirkliche Leben sowohl im Buch als auch im Film nur wenig Raum einnimmt und ein unscharfer Hintergrund bleibt, vor dem sich das virtuelle Geschehen abspielt. Letzten Endes feiern Cline und Spielberg die Oasis und nicht das Leben, dessen Wert nur angedeutet wird. Wahrscheinlich wirkt Ready Player One deshalb so seltsam seelenlos.

Ready Player One tut der VR-Branche keinen Gefallen

Wie wird sich der Film auf Virtual Reality auswirken? Ich glaube, dass er sich gar nicht auswirkt. Niemand wird ernsthaft annehmen, dass die im Film beschriebene VR-Technologie existiert und am Ende enttäuscht sein, wenn die VR-Brille für Zuhause nicht ansatzweise das gleiche Erlebnis bietet. Entsprechend setzt der Film auch keine Kaufanreize für entsprechende Geräte.

[blockquote]Ready Player One wird VR-Enthusiasten zusammenzucken lassen.[/blockquote]

Spielbergs Vision der Virtual Reality offenbart außerdem einen deutlichen Widerspruch: Während die Oasis maximal futuristisch ist, wirkt die im Film verwendete VR-Technologie kaum anders und mindestens genauso befremdlich wie die aktuellen Geräte. Es ist die gleiche Hardware, sie funktioniert nur aus irgendeinem Grund viel besser. Für seine Filmvision ging Spielberg - so wie Cline - von Brillen, Handschuhen, Anzügen und Laufmaschinen aus, die wir seit den 80er Jahren kennen.

Das sorgt für einen scharfen Kontrast zur lebensnahen virtuellen Welt, die die Protagonisten in der Oasis erleben - technisch ist das nicht plausibel. Gerade zu Beginn macht Ready Player One den Eindruck einer Virtual-Reality-Parodie und dürfte den einen oder anderen VR-Enthusiasten zusammenzucken lassen.

Ready Player One startet am 5. April in deutschen Kinos.

| Featured Image: Warner Bros.