Exoskelett mit Hirnsteuerung: Querschnittsgelähmter macht erste Schritte
Das Gehirn sendet Signale, aber die Gliedmaßen reagieren nicht: Kann ein Exoskelett ihre Arbeit übernehmen? Forscher demonstrieren die Zwischenergebnisse einer seit zwei Jahren andauernden Studie.
Forscher der französischen Universität Grenoble und des biomedizinischen Forschungszentrums Clinatec arbeiten an einem Roboteranzug, der durch Gehirnsignale gesteuert wird. Die Ergebnisse ihrer seit zwei Jahre laufenden Studie veröffentlichen sie im Fachmagazin The Lancet Neurology.
Die Forscher entwickelten ein Ganzkörper-Exoskelett mit jeweils zwei Beinen und Armen. Das ist eine Besonderheit im Vergleich zu bisherigen Forschungsarbeiten, in denen jeweils nur ein Bein oder ein Arm ferngesteuert wurde.
___STEADY_PAYWALL___Die Kontrolle über den Roboter hat ein 28-jähriger Franzose, der nach einem Sturz vor rund vier Jahren von der Schulter an abwärts gelähmt ist. Eine Restkontrolle im linken Arm und der Hand blieb ihm, um den Joystick eines Rollstuhls zu bedienen.
Der junge Mann bekam auf beiden Seiten seines Kopfes, direkt am sensomotorischen Kortex zwischen Gehirn und Haut, Rekorder mit jeweils 64 Elektroden implantiert. Die Elektroden nehmen Hirnsignale auf und leiten sie an eine Software weiter, die diese in Steuerimpulse für das Exoskelett übersetzt.
Der Patient trainierte und kalibrierte den Übersetzungsalgorithmus zuvor rund drei Monate lang mit einem Pong-ähnlichen Computerspiel. Bei dem Spiel lernte er, die Spielfigur mittels derselben Technologie Kraft seiner Gedanken zu bewegen. Nach dem Training war er in der Lage, das Exoskelett laufen zu lassen und nach Gegenständen zu greifen. Für die Balance muss das Exoskelett noch an der Decke befestigt sein.
Noch weit weg vom Alltag
Positiv stimmt die Wissenschaftler, dass sich die Implantate nicht entzündeten und die Hirnsteuerung sieben Wochen ohne Rekalibrierung auskam. Das sind zwei wesentliche Bedingungen auf dem Weg zur Alltagstauglichkeit. Von dieser sei das System zwar noch weit entfernt, aber dennoch sei es ein Schritt in die richtige Richtung, so die Wissenschaftler. Zunächst könnten womöglich Rollstühle ferngesteuert werden statt komplexerer Exoskelette.
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Neben der technischen Komponente gibt es außerdem finanzielle Hürden bei der Markteinführung, kommentiert Tom Shakespeare, Professor für Behinderungsforschung an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die meisten Menschen mit Behinderung könnten sich nicht einmal einen Rollstuhl leisten, geschweige denn ein Exoskelett. Er warnt daher, die Technologie vorschnell zu hypen.
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher drei weitere Patienten in die Studie einbinden, das Exoskelett ohne Deckenbefestigung laufen lassen und dessen Feinmotorik verbessern.
Quelle: The Lancet Neurology, Universität Grenoble; Via: Ärzteblatt; Bilder: Juliette Treillet, Clinatec
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