Das große Virtual-Reality-Versprechen: Was bleibt vom Hype?

Das große Virtual-Reality-Versprechen: Was bleibt vom Hype?

Der Journalist David Ewalt erlebte den großen Virtual-Reality-Hype hautnah mit. In seinem Buch "Defying Reality: The Inside Story of the Virtual Reality Revolution" berichtet er über eine Revolution, die keine werden sollte. Lohnt sich die Lektüre?

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Das Buch beginnt euphorisch. Der Autor schildert, was ihn dazu brachte, ein Buch über die Anfänge der jüngsten Virtual-Reality-Welle zu schreiben: Ewalt sitzt in einem Hotelzimmer in Los Angeles und setzt zum ersten Mal eine Oculus Rift auf. Das war 2014, einige Monate nachdem Facebook für drei Milliarden US-Dollar Oculus gekauft hatte und damit einen gewaltigen Hype lostrat.

Das VR-Erlebnis machte aus Ewalt einen begeisterten Verfechter der Technologie. Im Prolog spricht der Journalist vom Anbruch einer neuen Ära, einem Moment in der Mediengeschichte, der mindestens so bedeutend sei wie die Geburtsstunde des Radios oder Fernsehens. Virtual Reality, so der Autor, werde eines Tages den Alltag von Milliarden Menschen prägen, ja sie stelle gar den Anfang eines fundamentalen Wandels der menschlichen Existenz dar.

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Die Rekapitulation dieser aufregenden Zeit, von Luckeys Kickstarter-Kampagne im Jahre 2012 bis zum Marktstart der ersten Generation VR-Brillen, bildet den Höhepunkt des Buches und wartet mit einer Vielzahl interessanter Details und Anekdoten auf. Ewalt beschreibt hier die Geburtsstunde einer Industrie, die von Brüchen, Allianzen und einem atemlosen Wettrennen um die beste Ausgangsposition geprägt ist.

Revolution oder kalter Kaffee?

Zur Geschichte dieser Jahre gehört die Erzählung über einen beispiellosen Hype. Ewalt gibt diesem viel Raum, jedoch ohne kritische Distanz. In ausufernder Weise und mit der unverhohlenen Begeisterung eines Kindes, vor dem sich eine neue Welt auftut, beschreibt der Autor über mehrere Kapitel hinweg eine Flut von Startups, VR-Erfahrungen und hochfliegenden Geschäftsideen.

Dieser unverstellte, forschende Blick dürfte für den praxisfremden VR-Laien oder Historiker interessant sein, für Marktbeobachter und VR-Enthusiasten der ersten Stunde sind die seitenlangen Ausführungen hingegen nicht mehr als kalter Hype-Kaffee. Der in diesen Jahren herrschende überbordende Enthusiasmus und die unrealistischen Markterwartungen, die ihren Niederschlag in einer Vielzahl weltfremder Produkte fanden, wirken aus heutiger Sicht bizarr.

Die Mehrheit der im Buch erwähnten Unternehmen dürften mittlerweile entweder pleitegegangen oder in der Bedeutungslosigkeit versunken sein. Für die ersten, frühen VR-Erfahrungen, die damals noch als revolutionär galten, hat man heute kein müdes Lächeln mehr übrig.

Ein Kind des Hypes

In gesonderten Kapiteln geht der Autor auf die ersten VR-Filme, VR-Pornografie und Augmented Reality ein. In letzterem kommt er auf Magic Leap zu sprechen und tappt voll in die Werbefalle: Die AR-Brille des Unternehmens wird als technisches Wunder beschrieben, das die Tech-Industrie umkrempeln und sämtliche Monitore ersetzen soll. Doch auch hier kam bekanntlich alles anders als erwartet.

Das Ausbleiben des großen VR-Markterfolgs wird eher am Rande und gegen Ende des Buchs zum Thema. Das überrascht nicht, schließlich widerspricht das verhaltene Interesse seitens Konsumenten der eingangs aufgestellten Prämisse, dass Virtual Reality eine disruptive, mediale Revolution werden würde.

"Trotz des ganzen Hypes und all den Versprechen: Virtual Reality hat die Welt nicht verändert und sie wird es auch nicht auf absehbare Zeit. Die Industrie und die Technologie steckt noch immer in den Kinderschuhen", schreibt Ewalt auf der letzten Seite.

Defying Reality ist ein gutes Buch für all jene, die einen Einstieg in die Geschichte der Virtual Reality suchen oder mehr Einzelheiten über die Anfänge der dritten und jüngsten VR-Welle erfahren möchten. Gerade diese Kapitel lesen sich selbst für VR-Kenner äußerst spannend.

Wer jedoch eine kritische oder vertiefte Auseinandersetzung mit den Entwicklungen dieser Jahre sucht, wird nicht fündig: Defying Reality ist noch ganz im Geiste des Hypes geschrieben und nutzt die gleichen rhetorischen Mittel wie die Marktschreier, ohne sie zu hinterfragen.

Letzte Aktualisierung am 2025-04-25 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Preis inkl. MwSt., zzgl. Versandkosten

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