Architekten scannen ein ganzes Stadtgebiet samt der Einwohner
Wer viele Jahre an ein- und demselben Ort gelebt hat, der weiß, wie Land- und Stadtgebiete sich verändern können: Naturlandschaften werden überbaut und ganze Blocks verschwinden, um neuen Häusern zu weichen. Jahre später hat man nur noch eine ungefähre Vorstellung davon, wie die Gegend früher ausgesehen hat, da die Erinnerung an diese Räume von der neuen Realität gleichsam überschrieben wurde. Doch was ist, wenn wir diese räumlichen Informationen speichern könnten, sodass wir jederzeit in die überschriebene Vergangenheit zurückkehren könnten?
Ein Palimpsest ist laut Wikipedia eine antike oder mittelalterliche Manuskriptseite, die durch Schaben oder Waschen gereinigt wurde, um sie neu beschreiben zu können. 1998 haben Forscher ein bedeutendes Palimpsest entdeckt, als sie ein Manuskript aus dem 13. Jahrhundert untersuchten und unter biblischen Texten bisher unbekannte mathematische Beweise des Archimedes sichtbar machen konnten.
Das Interactive Architecture Lab der Bartlett School of Architecture betreibt ein Projekt, bei welchem ein urbanes Palimpsest erstellt wird: Mittels 3D-Scanning sollte ein städtisches Gebiet samt der darin lebenden Menschen im Maßstab von 1:1 gespeichert werden. Mittels Virtual und Augmented Reality können diese gespeicherten Räume am selben Ort wieder abgerufen werden, sodass unter der neusten Realitätsschicht das alte Erscheinungsbild der Stadt hervortritt.
___STEADY_PAYWALL___Das gescannte Stadtgebiet weicht einer neuen Bahnstrecke
Den Pilotversuch startete das Lab in einem Londoner Stadtbezirk namens Camden. Wegen des Baus einer neuen Schnellfahrstrecke wird das Gebiet demnächst einschneidende architektonische Veränderungen erleben. Eine große Zahl an Bewohnern werden dabei ihre Häuser und Arbeitsorte aufgeben müssen. Das Projekt will dem Verschwinden dieses Lebensraums ein kollektives, räumliches Gedächtnis in Gestalt eines umfassenden 3D-Scans entgegensetzen.
Hierfür griffen die Initiatoren auf mehrere Verfahren zurück, abhängig von der Größe des Objekts. Für das Scannen eines ganzen Parks nutzten sie ein LiDAR-System, das eine Punktewolke bestehend aus 25 Millionen Einzelpunkten erstellte. Für Gebäude kam Googles Tango-Technologie und Fotogrammetrie via Autodesk ReCap zum Einsatz. Für das Aufzeichnen von Personen machte das Team von einer Microsoft Kinect und einer speziellen Software Gebrauch.
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Trotz dieser unterschiedlichen Scanning-Verfahren, gelang es den Projektverantwortlichen für ein ästhetisch ansprechendes, einheitliches Erscheinungsbild zu sorgen. Sämtliche Daten wurde in Unity zusammengeführt und können mit Oculus Rift angesehen werden kann.
Die beiden Videos unten führen das Ergebnis der Digitalisierung des Stadtgebiets vor und sie geben einen Ausblick darauf, wie die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft öffentlicher Räume mittels digitaler Technologie einst parallel nebeneinander existieren könnten.
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