Wie Virtual Reality euer Denken und Handeln beeinflusst

Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie XR unser Verhalten in verschiedenen Lebensbereichen beeinflussen kann – von Essgewohnheiten bis hin zu Umweltschutzmaßnahmen.
Zwei aktuelle Studien beleuchten, wie Virtual Reality und Augmented Reality unser Verhalten und unsere Wahrnehmung verändern können. Forschende haben sowohl die Auswirkungen von AR auf das Essverhalten als auch den Einfluss von 360°-VR-Videos auf Umweltschutzabsichten untersucht.
Haben immersive Technologien also das Potenzial, uns zu besseren Menschen zu machen? So einfach wird es sicher nicht.
Gesünder essen mit AR?
Wie Wissenschaftler:innen der Universität Tampere und des VTT Technical Research Centre in Finnland herausfanden, lassen sich durch XR menschliche Sinneswahrnehmungen künstlich verändern, um beispielsweise vegetarische Lebensmittel attraktiver zu gestalten.
40 Probanden wurden mit einer Kombination aus einem Varjo XR-3 Headset, einer prototypischen olfaktorischen Halskette und einer Gabel mit haptischem Feedback zu Tisch gebeten. Um herauszufinden, wie die Technologie die Wahrnehmung von pflanzlichen Bällchen und Fleischbällchen beeinflusst, schafften die Forschenden vier Testbedingungen: augmentierte und nicht augmentierte Versionen beider Nahrungsmittel.

Die in der Studie verwendete VR-Brille Varjo XR-3 wird auch für Flugsimulatoren verwendet. Würdet ihr so einen Klotz gern beim Essen tragen? | Bild: Varjo
Die Ergebnisse zeigten, dass haptische und visuelle Augmentationen signifikante Auswirkungen hatten: Sowohl die augmentierten Fleischbällchen als auch die pflanzlichen Bällchen wurden als größer und schwerer wahrgenommen im Vergleich zu ihren nicht augmentierten Gegenstücken.
Die Geruchs-Augmentation hingegen erzeugte keinen vergleichbaren Effekt. Auch auf die Geschmackswahrnehmung hatte das System keinen signifikanten Einfluss – und ja, die Probanden empfanden den klobigen Gesichtscomputer als störend beim Essen.
Die Forschenden sehen dennoch Potenzial für die Technologie. Unternehmen in der Lebensmittel- und Gastronomiebranche, die alternative Proteinquellen erforschen oder Verbrauchererlebnisse verbessern möchten, könnten durch multisensorische Augmentationen die Wahrnehmung von Lebensmitteln verbessern und möglicherweise die Verbraucherpräferenz hin zu nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Lebensmitteloptionen lenken.
VR-Videos verbessern unser Umweltschutzverhalten
In einer zweiten Studie untersuchten Daniel Zimmermann, Paulina Wolf und Kai Kaspar von der Uni Köln die Auswirkungen verschiedener Präsentationsformen wie 360°-VR-Video, 2D-Video, Audio und Text auf das Umweltschutzverhalten der Rezipienten.
Die Forschenden analysierten Daten von 128 Teilnehmenden, die Umweltschutzdokumentationen in einem der vier Präsentationsmodi sahen. Anschließend bewerteten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen sowie ihre Umweltschutz- und Spendenabsichten.

Wer eine Quest 3 zu Hause hat, kann sich mit der App Ocean Rift einen ersten Eindruck verschaffen, wie immersiv Natur-VR-Apps sein können. | Bild: Picselica Ltd
Die Ergebnisse zeigten, dass die 360°-VR-Video-Bedingung signifikant stärkere Gefühle räumlicher Präsenz, gedanklichen Eintauchens in die Erzählung und positiven Affekts hervorrief als die anderen Bedingungen. Zwar fanden die Forschenden keine direkten Effekte der Präsentationsform auf Umweltschutz- und Spendenabsichten, jedoch signifikante indirekte Effekte über die narrative Transportation.
Die Präsentation der Dokumentationen mit immersiverer Technologie wie 360°-VR-Videos erzeugte also eine stärkere narrative Transportation als Präsentationen mit weniger immersiven technischen Merkmalen, und diese narrative Transportation war wiederum positiv mit Umweltschutzabsichten und Spendenbereitschaft verbunden.
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Machen uns VR und AR zu besseren Menschen?
Die beiden vorgestellten Studien werfen eine faszinierende Frage auf: Können immersive Technologien wie VR und AR tatsächlich dazu beitragen, uns zu „besseren Menschen“ zu machen – sei es durch nachhaltigere Ernährungsgewohnheiten oder verstärktes Umweltschutzverhalten?
Die Antwort ist differenziert zu betrachten. Die finnische Studie zeigt, dass XR-Technologien zwar die Wahrnehmung von Lebensmitteln verändern können, aber nicht unbedingt den Geschmack beeinflussen. Technologie allein reicht also nicht aus, um grundlegende Präferenzen zu verändern.
Vielmehr könnte sie als unterstützendes Werkzeug dienen, um den Übergang zu nachhaltigeren Ernährungsgewohnheiten angenehmer zu gestalten. Dennoch bezweifle ich, dass je ein Mensch eine klobige VR-Brille während des Essens tragen möchte.
Deutlich mehr Potenzial sehe ich in der Studie aus Köln. Sie legt nahe, dass der eigentliche Wert von VR in ihrer Fähigkeit liegt, überzeugende Geschichten zu vermitteln, die uns emotional berühren und zum Handeln motivieren. Um dieses Potenzial weiß auch die Tierrechtsorganisation Peta, die bereits einige VR-Erfahrungen zum Thema Tierschutz und Veganismus veröffentlicht hat. Meine Empfehlung: die App „When They Came For Us“, in der ihr mit einer Alien-KI über Moral und Ethik diskutiert.
Auf den Inhalt kommt es an
Immersive Technologien können ein wertvolles Werkzeug für positive Verhaltensänderungen sein – aber nur, wenn sie mit überzeugenden Narrativen und sinnvollen Inhalten kombiniert werden. Die Technologie allein macht uns nicht zu besseren Menschen, aber sie kann ein kraftvolles Medium sein, um Empathie zu fördern, Perspektiven zu erweitern und komplexe Probleme erfahrbar zu machen.
Gleichzeitig sollten wir realistisch bleiben: Technologie ist kein Allheilmittel für gesellschaftliche Herausforderungen. Die wahre Transformation erfordert strukturelle Veränderungen, politischen Willen und individuelle Bereitschaft zum Handeln. VR und AR können dabei unterstützend wirken, indem sie Bewusstsein schaffen, Empathie fördern und neue Perspektiven eröffnen – aber die eigentliche Verhaltensänderung müssen wir selbst vollziehen.
Was denkt ihr? Kann Technologie unser Verhalten nachhaltig beeinflussen? Diskutiert mit uns auf Instagram, Facebook oder Bluesky und teilt eure Meinung in den Kommentaren.
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