Virtual Reality: Ich habe mir eine virtuelle Freundin gesucht
AliceX bietet kostenpflichtige Webcam-Shows mit exklusiven Models, die als virtuelle Freundinnen auftreten. Der Blick durch die Virtual-Reality-Brille soll für mehr Intimität sorgen. Ich war neugierig und habe den Dienst ausprobiert.
Nachdem ich mich auf AliceX registriert und eingeloggt habe, gelange ich auf eine Seite mit Porträts von etwa zwei Dutzend Models. Klickt man auf eines dieser Porträts, betritt man ihre Show. Derzeit sind nur drei Models aktiv: Viky Sin, Salma Angel und Rachel Hell. Bei den Models außer Dienst wird angezeigt, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit ihre nächste Show stattfindet. Die Frauen wechseln sich schichtweise ab, sodass immer eine Freundin online ist.
Ich schaue flüchtig über die Porträts und mir fällt auf, dass Frauen mit ganz unterschiedlichem Körperbau, Alter und Stil vertreten sind. Vom niedlichen Nachbarsmädchen über die durchtrainierte Amazone bis hin zur stilbewussten MILF wird jedes Klischee einer Männerfantasie bedient. Ich entscheide mich für Rachel Hell, da ich sie keiner dieser Gruppen zuordnen kann.
___STEADY_PAYWALL___Rachel begrüßt mich. Meine VR-Brille liegt noch auf dem Tisch, die Shows kann man sich auch in 2D auf einem gewöhnlichen Bildschirm ansehen. Ich fahre mit der Maus in die rechte obere Ecke des Monitors und lasse den Zeiger über dem Cardboard-Symbol ruhen. "Betrete virtuelle Realität", steht da. Ich setze mir meine Oculus Rift auf und klicke einmal mit der Maus.
Meet Rachel Hell
Nun erscheint Rachel direkt vor mir, auf einem dunklen Bett liegend, inmitten eines weißen Palmenstrands. Neben dem Sessel führt ein Holzsteg an einem blau-weiß gestreiften Sonnenschirm und einer Strandliege vorbei zu einem kleinen Bungalow. Natürlich befindet sich Rachel nicht wirklich an diesem paradiesischen Ort, sondern zu Hause oder in einem Studio vor einem Greenscreen. Die Kulisse wurde auf einem Computer erstellt und digital eingefügt.
[blockquote]Wenn man sich im privaten Modus befindet, können andere Teilnehmer zu Spionen werden und das Gespräch mithören. Nur im Exklusivmodus ist man ganz unter sich.[/blockquote]Ich begrüsse Rachel, aber sie scheint mich nicht zu hören. Dann tippe ich einige Worte in die Textbox am unteren Bildschirmrand. Rachel sieht die Nachrichten vor sich auf einem Bildschirm, der sich unter der Kamera befinden muss und mir verborgen bleibt. Als ich nach unten blicke, öffnet sich ein Menü, das mir die Wahl zwischen drei Modi lässt: dem öffentlichen Modus, dem Privatmodus und dem Exklusivmodus.
Ich habe via Kreditkarte ein paar Coins erworben und springe in den Privatmodus. Rachel begrüsst mich erneut, dieses Mal mit mehr Nachdruck und einer gewissen Neugier.
Ein Premium-Dienst mit Premium-Preisen
Wir tauschen einige Freundlichkeiten aus, dann frage ich sie nach den Unterschieden zwischen den kostenpflichtigen Modi. "Wenn wir uns im privaten Modus befinden, können andere Teilnehmer zu Spionen werden und das Gespräch mithören," erläutert Rachel und fügt hinzu, dass der Spionmodus ebenfalls kostenpflichtig sei. "Nur im Exklusivmodus ist man ganz unter sich."
[blockquote]AliceX erinnert an Begleitagenturen, die einer vermögenden Kundschaft gegen Bezahlung attraktive Escort-Damen anbieten. Der Dienst tut dasselbe - nur eben in einer virtuellen Umgebung.[/blockquote]Über die Preise habe ich mich im Vorfeld schlau gemacht. So kostet der Spionmodus 20 Coins pro Minute und der Privatmodus 40 Coins pro Minute. Den Exklusivmodus lässt sich AliceX teuer bezahlen: 200 Coins fallen pro Minute an, wenn man das Model ganz für sich haben möchte. Verkauft werden die Coins in unterschiedlichen Paketen. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet das größte Paket, das 2000 Coins enthält und mit knapp 100 US-Dollar zu Buche schlägt.
Das ist ein stolzer Preis, gemessen an der Zeit, die einem zur Verfügung steht: Für 100 US-Dollar kann man sich mit einem Model 50 Minuten im Privatmodus unterhalten. Im Exklusivmodus sind es gerade einmal zehn Minuten. Eines ist klar: AliceX ist ein Premium-Dienst mit Premium-Preisen, der sich an eine gut situierte Klientel richtet. Hier drängt sich der Vergleich zu Begleitagenturen auf, die einer vermögenden Kundschaft gegen Bezahlung attraktive Escort-Damen anbieten - nur eben in einer virtuellen Umgebung.
Die Wandelbarkeit der Porno-Industrie
Die Porno-Industrie hat, bedingt durch das Internet, einen tiefgreifenden Wandel erlebt. So ist es heute schwieriger denn je, mit professionell produzierten Pornofilmen Geld zu verdienen. Das liegt nicht nur an Raubkopierern und Videoportalen wie Pornhub, die Sexfilme für lau anbieten. Im Zuge des Web 2.0 wurde Pornografie demokratisiert und Amateurfilme sowie Webcam-Shows haben zur Popularisierung einer Footage-Ästhetik geführt, die sich von den lebensfern wirkenden Hochglanzproduktionen der amerikanischen Porno-Industrie bewusst absetzt.
[blockquote]Webcam-Shows haben für deren Betreiber einen entscheidenden Vorteil: Sie können nicht raubkopiert werden.[/blockquote]AliceX geht einen Mittelweg. Es greift zwar das intime Format der Webcam-Shows auf, setzt aber auf Klasse und Exklusivität, um sich vom Stigma der Schmuddelecke zu befreien. Das schlägt sich auch in der Art und Weise nieder, wie die Models Geld verdienen. Bei Webcam-Shows anderer Anbieter erhalten sie Trinkgeld von ihren Zuschauern. Bei AliceX hingegen zahlen die Kunden minütlich.
Webcam-Shows wurden längst kommerzialisiert und sind ein fester Bestandteil der Porno-Industrie geworden. An ihnen zeigt sich die Wandelbarkeit der Branche. Gegenüber professionell produzierten Pornofilmen haben sie nämlich einen entscheidenden Vorteil: Sie können nicht raubkopiert werden. Da der Reiz im Live-Stream und dem persönlichen Kontakt besteht, bieten Webcam-Shows eine Erfahrung, die durch Raubkopien nicht reproduziert werden kann.
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Die virtuelle Realität macht die Models blind
Ich frage Rachel, ob sie schon vor AliceX Webcam-Shows gemacht hat und wie sie sich dabei fühlt. Sie bejaht und fährt fort: "Ich war am Anfang etwas schüchtern und es hat eine Weile gedauert, bis ich das nötige Selbstvertrauen gewonnen habe. Aber seither machen mir diese Auftritte Spaß", sagt sie mir. "Außerdem habe ich große Freiheiten darin, wie ich meine Shows gestalte. Ich bin zum Beispiel keine Frau, die sich auf Befehl auszieht."
[blockquote cite="Rachel Hell"]"Mein Job ist es, mein Gegenüber kennenzulernen, um ein Gespür dafür zu entwickeln, was er sich wünscht. Wenn ich den Mann nicht sehe, ist es viel schwieriger, ihn einzuschätzen."[/blockquote]Ich frage sie, ob es für sie einen Unterschied gibt zwischen gewöhnlichen Shows, wie sie sie früher gemacht hat und AliceX, das die Erfahrung durch VR-Technologie verstärkt. "Der Hauptunterschied besteht darin, dass ich mein Gegenüber nicht sehe. Bei früheren Shows haben die Männer ihre Kamera ebenfalls laufen lassen, sodass ich sie sehen konnte. Bei VR ist das nicht möglich, weil die Herren diese Brillen tragen."
Ich hake nach und frage, weshalb es denn wichtig ist, den Mann zu sehen. "Mein Job ist es, mein Gegenüber kennenzulernen, um ein Gespür dafür zu entwickeln, was er sich wünscht", führt Rachel aus. "Wenn ich den Mann nicht sehe, ist es viel schwieriger, ihn einzuschätzen." Außerdem, fährt sie fort, würden die Männer sich eher hinter ihrer Anonymität verstecken und ihr etwas vorspielen, erläutert Rachel. "Das kann zuweilen unheimlich werden."
Die Technik ist noch nicht ausgereift
Der Raum wird in vollen 360-Grad wiedergegeben, so dass ich meinen Blick wandern lassen kann. Damit der Live-Stream nicht unterbrochen wird, muss die Datenrate möglichst gering gehalten werden. Das geht mit Kompromissen bei der Bildqualität einher. Die Auflösung wirkt recht gering und der Eindruck räumlicher Tiefe will sich nicht recht einstellen. So wirkt Rachel längst nicht so plastisch wie Darstellerinnen aus professionell produzierten VR-Pornofilmen. Zu dem durchwachsenen Gesamteindruck tragen aber auch die statischen Kulissen bei, die in einem merkwürdigen Kontrast zu Rachel stehen und etwas schäbig wirken.
Ich frage sie, ob sie zwischen den Kulissen wechseln kann. Sie nickt und begibt sich zu der Konsole, die sich unter der Kamera befindet. Sie rückt nahe an diese heran und wirkt jetzt wegen des Fischaugenobjektivs überdimensioniert groß - ein optischer Effekt, der bei VR-Kameras auftreten kann. "Du siehst riesengroß aus," sage ich. Darauf wirft sie zurück: "Du nennst mich dick?!" Ich lache und möchte mich erklären, aber ich merke, dass Rachel mich nicht mehr hört. Ich bin aus dem Privatmodus befördert worden, denn meine Coins sind aufgebraucht.
Stärkere Bindung durch virtuelle Realität?
Ich sehe noch, dass Rachel die Umgebung gewechselt hat. Wir sitzen jetzt auf dem Mond. Die Gesteinsbrocken werfen einen langen Schatten. Im Hintergrund ist ein Rover zu erkennen, die Erde hingegen wurde von der Dunkelheit verschluckt. Einen Augenblick später betritt ein neuer Teilnehmer die Show und fordert Rachel per Chatnachricht auf, sich auszuziehen. Sie bleibt lässig und sagt: "Nicht so schnell." Dann fügt sie hinzu: "Erzähl mir einen Witz, bring mich zum Lachen, dann überlege ich es mir vielleicht."
Ich muss lächeln und bin etwas traurig, dass ich mich nicht länger mit Rachel unterhalten kann. Die Betreiber von AliceX glauben, dass Webcam-Shows durch VR-Technologie intimer werden. Als Teilnehmer rückt man noch näher an die Models heran. Die wiederum erhoffen sich davon eine stärkere Bindung ihrer Kundschaft. Ich denke, dass diese Hoffnung berechtigt ist. Noch nicht heute, aber vielleicht in ein paar Jahren, wenn die Technologie ausgereift ist.
AliceX unterstützt alle gängigen VR-Brillen: von Google Cardboard über Samsung Gear VR bis hin zu Oculus Rift und HTC Vive. Auf der Webseite stehen Anleitungen für jedes einzelne Gerät bereit, die Schritt für Schritt erklären, wie man den Live-Stream in die VR-Brille zaubert. So müssen beispielsweise Nutzer von Oculus Rift und HTC Vive zuerst einen WebVR-fähigen Browser installieren. Wie das geht, haben wir hier erklärt.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel enthielt einen Fehler. Entgegen der früheren Beschreibung unterstützt AliceX das Live-Streaming in 360-Grad statt nur 180-Grad. Der Text wurde dahingehend abgeändert.
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