VR-Staatstheater Augsburg im Test: Theater sieht Zukunft

VR-Staatstheater Augsburg im Test: Theater sieht Zukunft

Wie gut ist VR-Theater wirklich? Wir haben Versand-VR mit Pico G2 und Browserversion via Oculus Quest 2 getestet. Buhrufe oder Applaus?

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Seit nunmehr einem Jahr ist es fast durchgehend still an Theatern, Opern, Musical-Bühnen. Kein Ballett, kein Gesang, keine mehr oder weniger geschmackvolle Inszenierung von Klassikern. Shakespeare bleibt ebenso daheim wie die Walküren. Die Vampire tanzen nicht mehr und tausende Monologe führen ein einsames Eigenleben in den Köpfen beschäftigungsloser Schauspieler.

Jammern hilft aber nicht gegen die Pandemie und einige Schauspielhäuser versuchen, das Beste aus der unsäglichen Situation zu machen. Das Staatstheater Augsburg hat sich recht schnell Virtual Reality zugewandt und einige Stücke für die VR-Brille umgesetzt. Headset und Theaterstück können mittlerweile im deutschsprachigen Raum per Post geordert werden. Das Theater kommt also zu euch ins Wohnzimmer. Überzeugt das Konzept?

VR-Theater mit Pico G2 - auch für Anfänger geeignet

Wer auf der Webseite des Augsburger Staatstheaters unter „Digitale Angebote“ den Menüpunkt „vr-theater@home“ auswählt, kann sich in Augsburg und Umgebung noch am selben Tag das Theaterstück seiner Wahl in Virtual Reality anschauen. Der Versand der vorbereiteten Pico G2-Brillen innerhalb Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgt durch den Dienstleister frontrow.

Das VR-Paket ist professionell verpackt und kommt in einem Karton mit Staatstheater-Branding. Darin befindet sich die versiegelte VR-Brille, eine Pico G2 mit einer Auflösung von 3.840 x 2.160 Pixeln und einer Bildwiederholrate von 75 Hz. Die VR-Brille ist im sogenannten Kioskmodus vorbereitet und bietet die gekauften Theaterstücke (oder auch nur ein einzelnes) in einem simplen, aber schicken Menü zur Ansicht an.

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Die Bedienung erfolgt über die Tasten am Headset, ich kann es aber auch durch den blauen Cursor-Punkt mit Kopfbewegungen steuern. Bleibe ich mit dem Punkt einen Moment auf einer Schaltfläche, etwa dem Startbutton des Theaterstücks, wird die Schaltfläche betätigt. Während der Show ist der Cursor ausgeblendet, ich kann aber jederzeit zu einem kleinen, transparenten Würfel oben links im Bild schauen um ein Bedienfeld zum Pausieren, Spulen oder für die Rückkehr ins Hauptmenü zu öffnen.

Die Bedienung ist auch für VR-Neulinge sehr einfach gestaltet und obendrein auf der Siegel-Banderole der VR-Brille mit einer Bedienungsanleitung versehen. Wer noch nie eine VR-Brille auf dem Kopf hatte, wird trotzdem wenig Probleme haben, einzusteigen. Das hat mir ausgezeichnet gefallen.

Tatsache: Theater kommt zu mir nach Hause

Das Staatstheater Augsburg zeigt eindrucksvoll, dass Theater weiter gedacht werden und sogar in einer Pandemie den Spielbetrieb aufrechterhalten kann. Die Vorteile von VR sind unbestreitbar, etwa wenn das gerade mitten in der Sanierung befindliche Große Haus des Staatstheaters als Bühne genutzt wird oder sich Schauspieler in „Oleanna“ in einem echten Hühnergehege ein hitziges – und visuell äußerst bemerkenswertes – Wortgefecht über Sexismus liefern.

Ich als Zuschauer bin Mittelpunkt dieser Inszenierungen: Alles dreht sich um mich. Das ist eine interessante Dimension. Während im klassischen Theater die Schauspieler maximal die Gänge zwischen den Zuschauerreihen als erweiterte Bühne nutzen können, haben sie in einer VR-Aufführung den gesamten Raum um die Kamera zur Verfügung.

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Selbst wer – wie ich – weniger ein Fan klassischen Theaters ist und lieber Musicals, Ballett oder Oper bevorzugt, kann sich dem Zauber dieses Mittelpunkts nicht erwehren. Auch wenn mir das Erzähltempo des Monologs „14 Vorhänge“ persönlich nicht zusagt, habe ich recht gebannt die komplette halbe Stunde verfolgt.

Der Grund ist die Intimität des Augenblicks, die Nähe zur Handlung und die Spannung des Unvorhersehbaren: Während im Theater die Bühne als eingeschränkter Spielort in gewisser Weise vorhersehbar ist, bietet der physische Szenenwechsel in VR mehr Unbekanntes und Überraschendes. Das fesselt.

VR-Versand-Theater: Technisch ausbaufähig

Die VR-Brille Pico G2 ist auf längere Zeit nicht komfortabel. Der typische Anpressdruck im Gesicht ist nach 20 Minuten deutlich zu spüren und auch die Batterie am Hinterkopf drückt trotz Polsterung unangenehm auf den Kopf.

Die Qualität der Theaterstücke auf der Pico G2 ist aus Sicht eines VR-Laien befriedigend, für den Profi aber nur ausreichend. Auf rund fünf Meter ist deutliche Artefakt- und Schlierenbildung zu sehen, was offenbar an der Qualität des auf der Brille gespeicherten Films liegt. Vor allem im neuesten Stück „14 Vorhänge“, das in schwarz-weiß gedreht wurde, macht sich das bemerkbar: Sobald Schauspieler Klaus Müller sich ein Stück von der 360-Grad-Kamera entfernt, wird sein Gesicht unscharf, in manchen Einstellungen verschwimmt es vor den Grautönen der Umgebung zu einer kaum erkennbaren Masse.

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Ich habe neben der Versand-Version auch die Möglichkeit getestet, das VR-Theater auf der eigenen VR-Brille (Vergleich) zu sehen. Unter anderem geht das mit der Oculus Quest 2 (Test). Über den Oculus-Browser gebe ich nach der Bezahlung auf der Shopseite des Theaters meinen Code ein und kann ganz genauso in die Vorstellung eintauchen. Der Unterschied (eine schnelle Internetverbindung vorausgesetzt) ist deutlich: Das Bild ist schärfer und die Quest 2 mit Elite Strap (siehe Quest 2-Zubehör) deutlich angenehmer zu tragen. Ich empfehle diese Variante.

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Oculus Quest 2 wird in Deutschland vorerst nicht verkauft. Wie lange dieser Verkaufsstopp anhält, ist nicht bekannt.

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Hinweis: Ihr könnt bei Amazon Frankreich über euren deutschen Account bestellen. Die VR-Brille unterstützt deutsche Sprache in den Menüs. Eine regionale Sperre seitens Facebook ist derzeit nicht aktiv - Quest 2 funktioniert ganz normal. Amazon Frankreich liefert innerhalb weniger Tage, zum Teil werden die Geräte sogar aus Lagern in Deutschland verschickt.

Aber auch die VR-Filmtechnik ist verbesserungswürdig. Das Geschehen wird durch eine Kamera mit sechs 200-Grad-Objektiven aufgenommen und danach per Software zu einem stereoskopischen Bild zusammengerechnet. Überwiegend erfüllt das seinen Zweck, aber es treten auch Ghosting-ähnliche Phasen auf, in denen der Schauspieler kurz wie ein Zerrbild wirkt. Das schmälert das Gesamterlebnis etwas.

Auch beim Ton gibt es ab und zu Probleme, etwa wenn Schauspieler Müller in „14 Vorhänge“ die Arme verschränkt und damit das Mikrofon dämpft und die typischen Reibungsgeräusche von Klamotten auf Mikrofon entstehen. Allerdings ist das bei der überwiegend einwandfreien Aufnahme zu verschmerzen und erinnert mich ans reale Theater, bei dem kleine Fehlerchen auch immer mal wieder vorkommen und die Show sympathisch machen. Theater eben.

Fazit zu Augsburger Staatstheater VR: Eine Zukunft des Theaters

Ebenso wenig wie VR den PC oder Gaming am Monitor ersetzen wird, kann es das Theater ersetzen. Das gemeinsame soziale Erleben, Geruch und Haptik des Theatersaals, die Echtheit des Geschehens - das ist wichtig für eine Vorstellung.

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Aber Theater kann erweitert werden und neue Ausdrucksmöglichkeiten finden, wie das Staatstheater Augsburg innovativ beweist. Wenn ich keine VR-Brille habe, bekomme ich eine zugeschickt und kann mich in eine Privatvorstellung begeben. Mit der eigenen VR-Brille kann ich jederzeit das Streaming-Angebot nutzen und mir die Kulturdröhnung geben: 360-Grad-Ballett um meinen Drehstuhl herum ist definitiv ein Erlebnis.

Natürlich muss noch an der Technik gefeilt werden, müssen VR-Brillen besser und vor allem komfortabler werden. Auch die Umsetzung von 360-Grad-Inszenierungen ist noch Neuland und wird mit jedem Stück besser. Außerdem muss sich noch zeigen, inwiefern sich der Aufwand der VR-Produktionen für das Theater trägt.

Aber eines ist klar: Das Theater hat erfolgreich den Schritt in die digitale Zukunft getan. Ich kann Theaterfreunden nur empfehlen, gerade in der Saure-Gurken-Zeit dieser Pandemie einfach mal zur VR-Brille zu greifen und die erweiterten Möglichkeiten eines VR-Theaters zu genießen. Selbst wenn es noch nicht auf ganzer Linie perfekt ist: Es ist Theater, wie es leibt und lebt.

Hier findet ihr das VR-Angebot des Augsburger Staatstheaters: vr-theater@home

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Hier der direkte Link für VR-Theater-Inhalte, die ihr auf eurer eigenen VR-Brille ansehen könnt: VR-Order

Titelbild: Staatstheater Augsburg, Jan-Pieter Fuhr