Virtual Reality: Wie wirkt sich virtuelles Sehen langfristig aus?

Virtual Reality: Wie wirkt sich virtuelles Sehen langfristig aus?

Ein Experte für Virtual-Reality-Simulationen des US-Militärs und zwei Augenspezialisten sind sich unsicher darüber, ob das virtuelle Sehen langfristig den Augen oder gar der Wahrnehmung schaden könnte.

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Steve Baker hat mehr als 25 Jahre Erfahrung bei der Entwicklung von Simulationen für das US-Militär, viele davon wurden in Kombination mit Hightech-VR-Brillen verwendet. Laut Baker sollen die Brillen des Militärs technologisch deutlich fortschrittlicher sein als die derzeitigen Verbraucher-Brillen und höhere Auflösungen samt präziserem Tracking bei einer geringeren Latenz bieten. Trotzdem würde ihm und seinen Kollegen bei den Ausflügen in die virtuelle Umgebung regelmäßig schlecht.

Nach Banks ist der sogenannte "vergence-accommodation"-Konflikt ein wesentlicher Verursacher dieser Übelkeit, da er unser Wahrnehmungssystem mit widersprüchlichen Informationen füttert. In der virtuellen Realität versucht unser Auge, ein weit entferntes Objekt zu fokussieren, das eigentlich auf einem Display unmittelbar vor dem Gesicht angezeigt wird. Unser Gehirn glaube deshalb, dass es halluziniere, schreibt Banks. Das würde als eine Vergiftungserscheinung interpretiert, die dann einen Brechreiz verursache, der den Magen entleeren und so die Wirkung des Giftes eindämmen solle.

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Die Nachwirkungen dieser Wahrnehmungsstörung sollen laut militärischer Untersuchungen bis zu acht Stunden andauern, in wenigen Fällen sogar bis zu zwei Tage. Unter anderem soll das auch die Fahrtauglichkeit beeinflussen. Banks mutmaßt sogar, dass man die derzeitigen VR-Brillen deshalb wohl verbieten müsse - jedenfalls so lange, bis taugliche Lichtfeld-Displays verfügbar seien, die den "vergence-accommodation"-Konflikt beseitigen. Die militärische Studie, auf die sich Banks bezieht, stammt noch aus dem Jahr 1989 und wurde im Kontext von Flugsimulatoren erstellt. Die Ergebnisse dürften also kaum ohne weiteres auf die heutige Situation der VR-Heimnutzer übertragbar sein.

Dr. Christian Kandzia, Oberarzt für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Kiel, sagt in einem Interview mit Spiegel-Online, dass es bisher keine Studien gäbe, die die Langzeitwirkung des Seh-Konflikts ausreichend untersucht hätten. Kandzia entkräftet Bakers These nicht konkret und äußert sogar ähnliche Bedenken bezüglich der Verkehrssicherheit. "Ob das gut oder schlecht für die Augen ist, ist noch nicht untersucht. Man muss sich anfangs daran gewöhnen und es wird das Gehirn fordern. Möglicherweise sieht man nach einer VR-Sitzung eine Weile unscharf oder doppelt. Ich würde daher empfehlen, nicht sofort Auto oder Fahrrad zu fahren."

Auch Marty Banks, Professor für Optometrie (Korrektur von Fehlsichtigkeit) an der Universität Kalifornien, gibt gegenüber The Guardian keine Entwarnung. "Alles, was ich darüber weiß, zeigt, dass der Effekt nur temporär auftritt und sich das Sehen wieder anpasst, wenn man die VR-Brille absetzt", sagt Banks. "Aber ich denke, es wäre sehr unklug zu sagen, dass es da kein Problem gibt."

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The vergence-accomodation conflict. HOFFMAN ET AL. JOURNAL OF VISION 2008

Der "vergence-accomodation"-Konflikt: In einer VR-Brille schaut man nur gefühlt in die Ferne, eigentlich muss das Auge das nahe Display fokussieren. Dauerhafte Nebenwirkungen dieses Effekts sind nicht erforscht. BILD: Hoffman et al., JOURNAL OF VISION 2008

Lichtfeldtechnologie als Lösung?

Eine prototypische VR-Brille der Standford Universität und von Nvidia arbeitet bereits mit der so genannten Lichtfeldtechnologie, die eine verbesserte 3D-Tiefendarstellung von Räumen und Gegenständen ermöglicht. Das Auge kann das Sichtfeld natürlich scharf stellen, Fokuspunkt und Peripherie werden korrekt dargestellt und wie in der Wirklichkeit wahrgenommen.

Das Lichtfeld entsteht durch ein spezielles Display, das in mehreren Schichten aufgebaut ist. Es besteht aus zwei transparenten LCD-Panels mit Flüssigkristallen und einer Auflösung von 1280x800 Pixeln. Die Panels sind mit einem Abstandhalter hintereinander angebracht, dadurch entsteht zwischen den Schichten ein sichtbares Lichtfeld für jedes Auge. Das Licht trifft so von vorne und von der Seite in das Auge des Trägers, so wie es auch ohne VR-Brille der Fall ist. Weiter entfernte Objekte werden korrekt fokussiert und es entsteht ein natürlicher Tiefeneindruck. Unter anderem aufgrund der hohen Latenz und der geringen Auflösung der verwendeten Displays ist der Prototyp aber noch weit von der Marktreife entfernt. Weitere Details gibt es in diesem Paper (PDF).

Eine mögliche Milderung der durch den "vergence-accommodation"-Konflikt hevorgerufenen Übelkeit könnte auch das Eye-Tracking samt Foveated Rendering bringen. Dabei wird das natürliche Sehen unterstützt, indem die genaue Blickrichtung in der VR-Brille ausgewertet und dann nur die Stelle des Bildes scharf angezeigt wird, die der Brillenträger auch fokussiert. Unter anderem haben die VR-Brille Fove oder StarVR Eye-Tracking-Lösungen implementiert. Schon die zweite Generation VR-Brillen könnte mit dieser Technologie ausgestattet werden.

| Source: Spiegel Online / Steve Baker bei Quora | Featured Image: Pixabay