Vampire: The Masquerade - Justice im Test: Die unbändige Lust, Blut zu trinken
Fast Travel Games bringt ein VR-Spiel aus der World of Darkness auf Quest-Brillen und für PSVR 2. Der Trip zu den Blutsaugern Venedigs ist grandios.
Für VR-Spiele ist Immersion ein inflationär benutztes Schlagwort. Doch was ist das eigentlich? VR-Enthusiast:innen können das mit vielen Worten beschreiben. Beim Spielen von Vampire: The Masquerade – Justice hatte ich diesbezüglich einen jener Aha-Effekte, die man nur in guten VR-Spielen findet und die zeigen („Show, not tell“), was Immersion ist.
In diesem VR-Spiel schleiche ich mich immer wieder an meine Gegner heran, packe sie an den Schultern und beiße ihnen mit einer schwungvollen Kopfbewegung in den Hals. Nachdem ich das einige Male gemacht hatte, fiel mir etwas auf: Wenn ich meine virtuellen Vampirzähne in Hälse schlage, öffne ich unwillkürlich meinen physischen Mund und blecke dabei die Zähne.
Das, liebe Leserinnen und Leser, ist Immersion.
Was kann Vampire: The Masquerade – Justice sonst noch?
Inhalt
Vampire: The Masquerade – Justice Test in aller Kürze
Dieses VR-Spiel bringt eine fantastische Atmosphäre mit sowie gelungene Umgebungen. Das Gameplay bietet häufig Optionen für unterschiedlichste Strategien zur Erledigung von Missionen: etwa voller Stealth-Modus, gezielte Ausschaltung von Gegner:innen oder einfach pure Gewalt über blutige Disziplinen.
Apropos Blut: Die Hunger-Mechanik verlangt sinnvolles Ressourcenmanagement. Habe ich noch ausreichend Blut, um einen tödlichen Bolzen herzustellen? Möglicherweise muss ich eine Ratte ausschlürfen, um wieder handlungsfähig zu sein. Dann schleiche ich mich direkt hinter mein nichts ahnendes Opfer und schlage ihm mit einiger Wonne die Zähne in den Hals.
In seinen besten Momenten – und davon gibt es viele – ist Vampire: The Masquerade – Justice ein VR-Fest und ich fühle mich wie ein mächtiges Wesen der Schattenwelt. Die Geschichte kann leider trotz toller Vertonung nicht mithalten, sie ist ordentlich, bleibt aber nicht lange im Gedächtnis. Bugs, eine schwache KI und einige Designschnitzer sorgen zudem gelegentlich für frustrierende Momente. Das hält sich aber glücklicherweise in einem vertretbaren Rahmen.
Schlussendlich ist Vampire: The Masquerade – Justice eines der besten VR-Spiele des Jahres, das einmal mehr eindrucksvoll beweist, wie eindimensional traditionelles Monitor-Gaming eigentlich ist.
Getestet auf: Quest 3
Vampire: The Masquerade – Justice ist für euch geeignet, wenn ihr …
- ein spannendes VR-Spiel aus der World of Darkness spielen möchtet,
- immer schon wissen wolltet, wie es ist, als Vampir:in jemandem das Blut auszusaugen,
- mit Venedig eine fantastische Kulisse genießen wollt,
- volle Bewegungsfreiheit mit der Quest 3 genießen möchtet,
- weitgehend ausgefeiltes Stealth-Gameplay mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten spielen wollt und
- einmal mehr erleben wollt, warum VR klassischem Gaming überlegen sein kann.
Vampire: The Masquerade – Justice ist für euch weniger geeignet, wenn ihr …
- perfekte PC-VR-Grafik und fein ausgearbeitete NPCs erwartet,
- mit gelegentlichen Bugs nicht umgehen könnt,
- frustrierende Designschnitzer nicht ertragt und
- Blutsauger ausnehmend widerlich findet.
Solide Story aus der World of Darkness
World of Darkness ist eine Fantasywelt samt Rollenspielsystem, die 1991 mit Vampire: The Masquerade seinen Anfang nahm. Das VR-Spiel erzählt eine klassische Rache-Geschichte in dieser Welt. Die Vampirin Justice (ihr könnt auch eine männliche Alternative wählen) gehört zum Klan der Banu Haqim (auch als Assamiten bekannt) und sucht nach dem Mörder ihres Schöpfers, der zudem ein uraltes Relikt gestohlen hat.
Justice kommentiert oder erzählt die Geschichte vor jeder Mission. Sammelgegenstände in den einzelnen Levels bringen weitere, hervorragend auf englisch vertonte Erzählungen (es gibt deutsche Untertitel), die Charaktere und Hintergründe erklären. Das motiviert, die Sammelgegenstände zu finden.
Die Geschichte wird nicht sonderlich gut eingeführt. Ich habe lange Zeit keinen Schimmer, was eigentlich vorgeht und warum. Erst spät werden meine Ziele klar. Dabei wird aber nicht alles nur über Dokumente und Audio-Erzählungen abgehandelt: Einigen Charakteren, etwa dem ziemlich mitgenommenen Vampir Pietro oder dem schmierigen Clan-Chef Tommaso, begegne ich immer wieder und führe Gespräche mit ihnen.
Während sich die Geschichte von Mission zu Mission aufbaut und eine gewisse Konsistenz in der Erzählung hat, wird sie plötzlich und überhastet beendet. Ich hatte den Eindruck, dass Fast Travel Games an einem bestimmten Punkt zum Schluss kommen musste, aber die Geschichte selbst eigentlich noch nicht so weit war.
Das ist schade, weil die Motive der Protagonisten und ihr Charakter nicht umfassend herausgearbeitet werden und deshalb auch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Immerhin ist die Geschichte solide genug, um mich immer wieder in das Spiel zu ziehen und es komplett durchzuspielen.
Schaurig-schönes Venedig
Die engen Gassen von Venedig, die Kanalisationen und die Grüfte sehen richtig gut aus. Leveldesign und Licht sind überwiegend perfekt gelungen. Gondeln im Wasser, alte Kirchen, nächtliche Marktplätze und überflutete Keller – die Welt ist überzeugend und mit viel Liebe gebaut.
Das gilt auch für viele visuelle Effekte, etwa meine Zauber-Disziplinen, mit denen ich Gegner in Schattenfallen ziehe oder ihnen den Kopf ziemlich brutal vom Rumpf reiße. Es ist wirklich erstaunlich, was die Quest 3 kann.
Leider sind die NPCs nicht auf dem gleichen Niveau. Wer auch nur annähernd so tolle Charaktere wie in Horizon Call of The Mountain erwartet, wird enttäuscht. Die NPCs sind grob texturiert, ihre Münder bewegen sich asynchron zu dem, was sie sagen und ihre Animationen sind maximal auf Playstation-3-Level, vielleicht sogar darunter. Hier hätte ich mir mehr Sorgfalt gewünscht.
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Gameplay: Schleichen, Klettern, Schießen und Zaubern
Dafür ist das eigentliche Gameplay umso besser gelungen. Die Herzen meiner Gegner:innen sehe ich durch meine hoch entwickelten Vampir-Sinne durch Wände, beobachte ihre Routen und stelle fest, in welche Richtung sie schauen. Dann schleiche ich mich entweder an ihnen vorbei, töte sie mit meinen Zauber-Disziplinen, teleportiere mich wie ein Racheengel auf sie herab oder perforiere sie mit meiner Handarmbrust.
Blut saugen stillt meinen Hunger und ich muss zugeben, dass es auf eine ganz merkwürdige Art Freude macht, NPCs auszusaugen. Das muss ich regelmäßig tun, wenn mein Hunger, den ich über eine Anzeige am linken Handgelenk überprüfe, zu groß wird. Hunger steigt, wenn ich meine Bolzen aus Blut herstelle oder Disziplinen benutze, etwa den Schattenmantel, mit dem ich mich an Gegner:innen und Kameras vorbeischleichen kann. Sinnvolles Ressourcenmanagement ist wichtiger Teil der Strategie und manchmal müssen Ratten als Blutkonserven herhalten, damit ich wieder handlungsfähig bin.
Meine Fähigkeiten verbessere ich im Sanctum, einer Art Heiligtum mit Skill-Altar. Die Erfahrungspunkte (XP) aus erledigten Missionen gebe ich hier für Verbesserungen aus. Ich schalte etwa Einschüchterungsfähigkeiten frei oder werte meine Säurebolzen so auf, dass sie auch Sicherheitskameras ausschalten.
In den Missionen verfolge ich dank meines umfangreichen Repertoires je nach Situation unterschiedliche Strategien. Ich kann etwa ungesehen und ohne Gewalt anzuwenden über Regenrinnen, Simse, Balkone oder durch Lüftungsschächte zu meinem Ziel schleichen. Ich kann auch sämtliche Bedrohungen ausschalten, möglichst ungesehen, versteht sich.
In den besten Momenten fühle ich mich wirklich wie eine mächtige Vampirin. Ich schleiche auf einen Balkon über eine ahnungslose Wache, erledige sie mit einem spektakulären Teleportations-Angriff, klettere schnell auf den nächsten Sims, jage dem nächsten Gegner einen Betäubungsbolzen in den Körper, lasse mich hinter ihn auf den Boden fallen, sauge ihm das Blut aus dem Hals und verschwinde Sekunden später im Schatten.
Ich kann mich auch einfach durchprügeln – zwei Hiebe mit der Faust und die meisten Gegner:innen sind Geschichte. Einige spezielle Vampire, die sich mir entgegenstellen, sind allerdings nicht ganz so leicht zu töten und werde ich erwischt, dann fresse ich in kürzester Zeit eine ungesunde Menge Blei aus Shotguns und automatischen Waffen.
Komfort, KI-Fails, Bugs und Abstürze
Teleportation ist ein Vampir-Skill, deshalb gibt es keine Fortbewegung über Teleportation. Flüssige Fortbewegung ist der Standard und das könnte empfindlichen Mägen das Spiel verderben. Ich selbst hatte keinerlei Probleme mit Motion Sickness: Sämtliche Bewegung im Spiel hat bei mir keinerlei Unwohlsein ausgelöst. Das müsst ihr aber selbst ausprobieren – hier ist die Rückgabeoption sinnvoll. Im Quest-Store könnt ihr etwa innerhalb von zwei Stunden eine Rückerstattung beantragen.
Vampire: The Masquerade – Justice ist zwar insgesamt hervorragend gelungen, allerdings gibt es immer wieder Bugs und schlechtes Herausforderungsdesign. Mal sehen mich Gegner:innen hinter der Deckung, mal werden Scharfschützen nicht durch den Laser angezeigt und knallen mich überraschend ab. Dann wieder liegt der Speicherpunkt, an dem ich nach einem Fehlschlag starte, voll im Sichtfeld einer Patrouille und ich habe nur wenige Sekunden, um in Deckung zu gehen.
Teilweise gibt es keine Alternativrouten, weil die KI so im Weg steht, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als Gewalt anzuwenden. Das ist besonders frustrierend, wenn die Mission eine optionale Belohnung für gewaltloses Vorgehen beinhaltet. Richtig schlecht ist der Weg zur finalen Mission: Eine völlig sinnlose Route, die nur durch Trial-and-Error zu bewältigen ist, hält mich auf, ohne etwas zur Geschichte beizutragen.
Dann wieder ist die KI einfach nur dämlich: Habe ich jemanden geräuschvoll um die Ecke gebracht, reagiert entweder niemand oder alle kommen gelaufen, um minutenlang auf die gleiche Stelle zu starren. Ich muss mich erst wieder in ihre Nähe bewegen, damit sie ihre (simplen) KI-Routinen wieder abspielen.
Vampire: The Masquerade – Justice Test-Fazit: Bitte mehr davon!
Fast Travel Games hat ein grandioses VR-Spiel geschaffen, das die Tradition alter Schleichspiele wie Thief oder Dishonored in VR aufleben lässt. Erneut beweist ein VR-Spiel, dass der Monitor eine Einschränkung ist, auch wenn dort grafisch mehr oder besseres geboten wird. Du willst wissen, wie es sich anfühlt, ein Vampir zu sein? Vampire: The Masquerade – Justice bringt dich als Vampir in die World of Darkness und zeigt, was wir in den nächsten Jahren (hoffentlich) von VR-Spielen erwarten dürfen.
Perfekt ist Vampire: The Masquerade – Justice nicht. Dazu fehlte vielleicht Zeit und Geld. Aber es ist trotzdem eines der besten VR-Spiele dieses Jahres. Über zehn Stunden in einem atmosphärisch äußerst gelungenen Setting erwarten euch – lasst euch das nicht entgehen.
Bevor ich es vergesse, weil das wirklich wichtig für VR-Spiele dieser Art ist: Es gibt keine Jump Scares, keine widerlichen Monster, Riesenspinnen oder sonst abartiges Zeug in diesem Spiel. Auch zartbesaitete Naturen können hier ohne Angst vor einem Herzkasper in die wunderschön-schaurige World of Darkness eintauchen.
Bitte mehr davon!
Vampire: The Masquerade – Justice könnt ihr hier kaufen
- Quest Store - 30 Euro
- Playstation Store - 30 Euro
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