Der erste 360-Livestream einer OP ist ein Ausblick auf die Zukunft des Lernens

Der erste 360-Livestream einer OP ist ein Ausblick auf die Zukunft des Lernens

Schon einmal darüber nachgedacht, wie es sich anfühlt, neben einem OP-Tisch zu stehen? Gestern hatte man drei Stunden lang die Gelegenheit, live und in 360-Grad einer Darmkrebs-OP beizuwohnen.

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Zugegeben, ein bisschen fühle ich mich wie ein Voyeur, als ich durch eine Pappschachtel blickend live dabei bin, wie ein 70-Jähriger gerade einen bösartigen Tumor aus dem Darm geschnitten bekommt. Da dieser aber angeblich ganz begeistert davon ist, Teil des VR-Lernexperiments zu sein, schiebe ich moralische Bedenken schnell beiseite.

Besonders viel kann ich von dem Operationsverlauf ohnehin nicht erkennen, denn die Qualität der Übertragung ist lausig. Irgendwo wird geschnitten, ein bisschen gesaugt, ein Arzt gibt Anweisungen und blickt auf einen Monitor. Details sind kaum auszumachen. Stellenweise bin ich mir nicht sicher, ob bestimmte Teile des Bildes absichtlich verschwommen dargestellt werden oder ob die Kamera- und Streamingtechnologie einfach nicht mehr hergibt. Einige "Stitching-Nähte", das sind die Stellen, an denen die Einzelaufnahmen der verschiedenen Kameralinsen zu einer 360-Aufnahme zusammengeführt werden, laufen quer durch den Patienten, an dem ebenfalls genäht wird. Ein irritierender Anblick.

Sein Engagement ist nicht allein dem männlichen Spieltrieb geschuldet, er hat einen guten Grund. "Als Vorkämpfer für neue Technologien in der Medizin, glaube ich daran, dass Virtual und Augmented Reality das Training und die Ausbildung von Chirurgen revolutionieren können. Ganz speziell in Entwicklungsländern, die keine Ressourcen und moderne Krankenhäuser haben", sagt Ahmed. Er ist Mit-Gründer des Unternehmens "Medical Realities", das sich die neue Art der Weiterbildung zur Aufgabe gemacht hat.

Und Ahmed hat recht, darauf lege ich mich gerne fest. Natürlich war diese Übertragung noch keine Revolution, sie darf nur als "Proof of Concept" verstanden werden. Es wird noch eine Weile dauern, bis die Qualität solcher virtueller Lerneinheiten auf einem Niveau ist, die es mit dem Lernen vor Ort aufnehmen kann. Langfristig aber werden digitale Lerntechnologien, angereichert durch die Möglichkeiten der Telepräsenz, das Bildungssystem ähnlich disruptieren wie Amazon den Einzelhandel.

Derweil wird an deutschen Universitäten noch immer die Anwesenheitspflicht diskutiert.

| Featured Image: Medical Realities