Eine einprägsame Reise ins Jenseits - "Manifest 99" ausprobiert

Eine einprägsame Reise ins Jenseits -

"Manifest 99" nimmt den Zuschauer auf eine ungewöhnliche Bahnreise mit und erzählt in knapp dreißig Minuten eine ebenso dichte wie berührende Geschichte vom Leben und Sterben. Wer animierte VR-Filme mag, sollte einen Blick auf dieses erzählerische Kleinod werfen.

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Es ist Nacht, als ich in den letzten Waggon einer alten Dampflokomotive steige. Kurz nach Beginn der Fahrt wird mir klar, dass es sich um keine gewöhnliche Bahnreise handelt: Ich fahre an Wüstenlandschaften vorbei, über die sich haushohe dornige Ranken erheben, unter der Oberfläche eines Seerosenteichs und durch ein Blumenmeer.

Es ist keine beschauliche Fahrt, sondern eine schwindelerregende Flucht vor dem Nichts: Von hinten rollt ein apokalyptischer Sandsturm heran, der Waggon für Waggon ins Dunkel reißt. Deshalb muss man sich quer durch die Abteile bis ins Führerhaus der Dampflokomotive kämpfen.

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Auf dem Weg dorthin trifft man drei seltsame Fahrgäste: einen großen, gutmütigen Bären, der aus dem Krieg zurückkehrt, ein Reh, das in die Ferne reist, um einen Seerosenteich zu besichtigen und eine Eule, die einem schwerkranken Kind einen Blumenstrauß bringen möchte.

Die Kraft des Blicks

Durch den VR-Film steuert man allein mit dem Blick, Eingabegeräte werden nicht benötigt. Im Zug bewegt man sich, indem man in die Augen von Krähen blickt, die sich in den Abteilen eingenistet haben. Nach dem Blickkontakt wird man in die Körper der Tiere versetzt und findet sich auf den Sitzen, am Boden oder auf der Gepäckablage wieder.

Auf diese Art und Weise hangelt man sich nach und nach durch die Zugabteile. Trifft man auf die drei Fahrgäste, kann man auch in ihre Augen schauen und erlebt daraufhin in kurzen Filmsequenzen, was die Reisenden hierher geführt hat. Mit Hilfe eines Lichtstreifens, der am Rand des Sichtfelds erscheint, wird der Blick des Zuschauers unauffällig auf die Szenerie gelenkt.

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Im Zug sind außerdem private Wertgegenstände der Fahrgäste verstreut, über die man noch mehr über deren Geschichte erfährt. Mit diesen Objekten, die zum Teil gut versteckt sind, setzt Manifest 99 einen erzählerischen Anreiz, sich in der Welt nach allen Seiten hin umzusehen.

Ein überraschendes Ende

Die VR-Erfahrung ist rein äußerlich stimmig gestaltet, auch wenn die Zugabteile und die vorbeiziehende Landschaft etwas zu detailarm und karg wirken, um dem Auge zu schmeicheln. Die meiste Sorgfalt floss berechtigterweise in das, worauf es am meisten ankommt: in die Animation der Charaktere. Denn sie bilden das Herzstück der Geschichte.

Beim Durchwandern des Zugs streift man neben diesen drei Fahrgästen wiederholt ein dunkles Wesen, das sich dem Blick entzieht. An dieser Stelle soll jedoch nicht verraten werden, was es mit der schattenhaften Erscheinung auf sich hat. Ansonsten müsste man das Ende vorwegnehmen, an dem auf überraschende Weise alle gestalterischen und erzählerischen Elemente zusammenkommen und eine wunderbare Einheit geben.

Manifest 99 ist bei Steam, Viveport und im Oculus Store erhältlich und kostet 5,99 Euro. Nutzer von Playstation VR müssen auf den US-amerikanischen Playstation Store ausweichen. Die VR-Erfahrung kann im Stehen oder Sitzen erlebt werden. Im letzteren Fall ist ein Drehstuhl empfohlen.

| Featured Image: Flight School Studio