HTC Vive: Ein Porträt des Krieges - "Remembering Pearl Harbor" im Test
Heute vor 75 Jahren fand der japanische Überraschungsangriff auf Pearl Harbor statt. "Remembering Pearl Harbor" für HTC Vive fängt einige Momente dieses historischen Ereignisses ein. Wir sagen euch, ob sich die Zeitreise lohnt.
Zu Beginn sieht man nichts als die Silhouette einer Landschaft, so als wäre frühe Morgendämmerung. Dann hört man die Stimme von Jim Downing, dem 103 Jahre alten Kriegsveteranen, der den Angriff überlebt hat und von dem geschichtsträchtigen Tag erzählt, der zu einem der Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs gehört.
Während man seinen Worten lauscht, tauchen aus der Dunkelheit historische Fotografien auf, die den 28-Jährigen und andere junge Soldaten, die Kriegsschiffe und den Hafen von Pearl Harbor zeigen. Diese Zeitdokumente bewegen sich kreisförmig um den Betrachter um herum, bis man von allen Seiten von Fotografien umgeben ist. Dank dem raumfüllenden Tracking von HTC Vive kann man an die Bilder herantreten und diese aus der Nähe betrachten.
___STEADY_PAYWALL___Eine Reise in die Vergangenheit
Nach dieser Eingangssequenz findet man sich im Wohnzimmer eines einfachen US-amerikanischen Haushalts jener Zeit wieder. Aus einem alten Radio dringt die Stimme von Franklin D. Roosevelt, dem 32. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Über dem Radio hängt ein Kalender, es ist der 8. Dezember 1941, ein Tag nach dem Angriff.
[blockquote]Pearl Harbor erzählt seine Geschichte nicht über eine Handlung. Vielmehr ist es die Umgebung und sind es die Gegenstände, die eine Geschichte erzählen. [/blockquote]Über dem Kamin, in welchem ein Feuer knistert, hängen Weihnachtsstrümpfe und auf dem Sims stehen zahlreiche Familienfotos, die man aufheben und aus der Nähe betrachten kann. In der Ecke steht ein breiter Sessel, daneben ein Weihnachtsbaum und Geschenke. Es macht ganz den Anschein, als würde die Familie, die sich in diesem Haus eingerichtet hat, in bescheidenen, aber glücklichen Verhältnissen leben.
Wenn da nicht der Krieg wäre und der Sohn, der tausende von Kilometern entfernt ist und über dessen Schicksal man im Unklaren ist. Remembering Pearl Harbor beschwört bei seinem Auftakt nicht den Angriff selbst herauf, sondern macht einem bewusst, was der Angriff für die Familien bedeutet, die zu Hause in Sicherheit sind und ihren Söhnen nicht helfen können.
Im Wohnzimmer und der anliegenden Küche bewegt man sich per Teleportfunktion fort. Wenn man bestimmte Gegenstände wie Zeitungen oder die Paketpost des jungen Soldaten aufhebt, beginnt Jim Downing zu erzählen. So erfährt man, dass am 7. Dezember sieben weitere Angriffe auf andere US-amerikanischen Basen stattfanden, für die noch mehr japanische Flieger als für Pearl Harbor aufgeboten wurden.
[blockquote]Man würde am liebsten alle Zimmer des Hauses besuchen, was leider nicht möglich ist. Ein vollwertiges Spiel, das über einen solchen Detailgrad verfügt, wäre mit Sicherheit reizvoll.[/blockquote]Sonst geschieht nichts, denn Remember Pearl Harbor erzählt seine Geschichte nicht über eine Handlung. Vielmehr ist es die Umgebung und sind es die Gegenstände, die eine Geschichte erzählen. Einige Objekte, wie zum Beispiel eine Wanduhr, sind mit einer geradezu stupenden Liebe zum Detail rekonstruiert worden. Selbst so etwas Profanes wie eine Eingangstür kann zum Verweilen einladen, wenn man nahe genug herantritt, um das Muster des darin eingebauten Fliegengitters zu bewundern.
Überhaupt bietet Remembering Pearl Harbor wohl das detailreichste Interieur, das man bisher in der Virtual Reality sehen konnte. Man würde am liebsten alle Zimmer des Hauses besuchen, was leider nicht möglich ist. Ein vollwertiges Spiel, das über einen solchen Detailgrad verfügt, wäre mit Sicherheit reizvoll.
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Das Feuerinferno von Pearl Harbor
In der nächsten Szene erlebt man Pearl Harbor unmittelbar nach dem Angriff. Man steht im Hafen, inmitten eines Feuerinfernos. Aus den Schiffen steigen gewaltige Rauchsäulen in den Himmel, die den Tag künstlich verdunkeln. Blickt man hoch, sieht man die Sonne matt durch die dichte Rauchdecke schimmern.
[blockquote]Jim Downing arbeitete als Postmeister und kannte die Adressen gefallener Kameraden. Er schrieb den Eltern, was die Söhne ihnen nicht mehr mitteilen konnten.[/blockquote]Hier kann man sich an vorgegebene Stellen teleportieren und die Szene aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, frei bewegen kann man sich nicht. Menschen sind keine zu sehen, sodass man von der Hektik, die damals geherrscht haben muss, nichts mitbekommt. Verschiedene Punkte in der Welt können mit dem Controller aktiviert werden, dann erscheinen Texteinblendungen oder man hört Jim Downing erzählen.
Der Kriegsveteran berichtet, wie er unmittelbar nach dem Angriff die Erkennungsmarken gefallener Kameraden eingesammelt hat, um ihren Eltern zu schreiben. Downing hatte Zugriff auf die Adressen, weil er auf der USS West Virginia als Postmeister arbeitete. Gewöhnlich erhalten die Eltern gefallener Soldaten lediglich ein formelles Schreiben.
In der letzten Szene kehrt man in die Gegenwart zurück und besucht die heutige Wohnung von John Downing. Auch hier kann man sich wieder umschauen und den Worten des Kriegsveteranen lauschen. Nach insgesamt 30 Minuten ist die VR-Erfahrung leider schon zu Ende.
Ein pietätvolles und zugleich effektives Porträt des Kriegs
Remembering Pearl Harbor porträtiert ein Kriegsereignis und es tut dies in einer pietätvollen Weise, wohl wissend, dass es unmöglich ist, dem Schrecken des Krieges gerecht zu werden. Für seine Effektivität sorgen weder Blut noch Effekte, sondern die geschichtlich akkurate Rekonstruktion seines Schauplatzes, die angeführten Kriegsfakten und der Augenzeugenbericht. Obwohl das Medium in der Lage ist, die Wirklichkeit exakt nachzubilden, ist diese hier nicht Selbstzweck. Sie soll im Gegenteil zu Gedanken anregen. Das wirkliche Geschehen spielt sich - wie so oft - im Kopf ab.
Wer in der virtuellen Realität gerne lehrreiche Zeitreisen unternimmt, dem kann Pearl Harbor empfohlen werden. Eine ähnliche, geschichtlich fundierte Erfahrung bietet derzeit nur Apollo 11. Remembering Pearl Harbor ist exklusiv für HTC Vive auf Viveport und Steam erhältlich. Die VR-Erfahrung kostet 10 Euro.
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