Virtual Reality: Samsungs VR-Kamera Gear 360 im Test
Die Gear 360 von Samsung ist klein, handlich und einfach zu bedienen. Die Qualität der Videoaufnahmen - speziell wenn man sie durch eine VR-Brille betrachtet - kann nicht ganz mit dem angenehmen Formfaktor mithalten.
Die kugelige Gear 360 besticht durch ein schlichtes und funktionales Gehäuse, das gegen Spritzwasser und Staub geschützt ist. Über zwei 180°-Super-Weitwinkellinsen bildet die Kamera ein lückenloses 360-Panorama ab. Jede Seite hat einen 15 MP-Sensor integriert, 360°-Fotos können mit einer Auflösung von bis zu 30K aufgenommen werden. Beide Seiten zusammen filmen mit maximal 3840 x 1920 Pixeln (4K) bei 30 Bildern pro Sekunde in 360-Grad. Auflösungen darunter sind zwar möglich, aus qualitativen Gründen aber nicht sinnvoll. Für schnelle Bewegungen gibt es einen 60 FPS-Modus, der aber nur mit QHD-Auflösung filmt. Für den Monitor ist das ok, für die VR-Brille nicht.
Der Ton wird über die zwei integrierten Mikros klar und deutlich aufgezeichnet und ist durchaus brauchbar. Sound auf Profi-Niveau darf man natürlich nicht erwarten. Die Tonspur wird räumlich wiedergegeben, der Klang verändert sich je nach Kopfposition des VR-Brillenträgers im Verhältnis zur Schallquelle. Dabei passierte es bei unseren Tests, dass zum Teil die Tonkanäle vertauscht wurden. Eine Schallquelle, die eigentlich von links kommen sollte, klang aus der rechten Kopfhörermuschel.
___STEADY_PAYWALL___Geliefert wird die Kamera mit einem austauschbaren Akku und einem zusammenklappbaren Dreibeinstativ. Mit diesem kann man die Kugel flexibel aufstellen. Und das ist wichtig: Gerade wenn man für die VR-Brille produziert, sollte man nicht aus der Hand filmen, denn das Gewackel löst bei VR-Brillenträgern schnell Motion Sickness aus. Das Stativ ist so konstruiert, dass es in den Videos nicht sichtbar ist. Da die Kamera über ein Standardgewinde verfügt, können größere Stative verwendet werden. Im Gegensatz zum kleinen Dreibein von Samsung tauchen diese aber in den Videoaufnahmen auf.
Leicht zu bedienen mit Liveview über die Smartphone-App
Die Kamera lässt sich über drei Knöpfe und einen integrierten OLED-Bildschirm bedienen. Der volle Funktionsumfang kann allerdings nur mit der Samsung-Gear-360-App und einem neuen Samsung Smartphone der S6- oder S7-Reihe genutzt werden. Das ist die zwingende Voraussetzung, wenn man mit der Gear 360 filmen oder fotografieren möchte. Die Kamera wird über Bluetooth (Steuerung) und Wi-Fi Direct (Datentransfer) mit dem Endgerät verbunden. Das funktioniert auch über einen größeren Abstand ohne Probleme. Man kann sich also aus dem Aufnahmebereich entfernen, ohne Teil des Videos zu werden. Optional kann man nur eine der beiden Optiken auswählen und mit einen kleineren Bildausschnitt arbeiten.
Die Datenübertragung via Wi-Fi Direct von der Kamera direkt ans Smartphone braucht selbst bei kleineren Dateien eine gefühlte Ewigkeit. Hier lohnt sich der Umweg über den SD-Kartenleser des Rechners. Ein drei Minuten langes MP4-Video in 4K-Auflösung und mit 30 FPS verbraucht rund 1 GB. Die Kamera nimmt microSD-Speicherkarten bis zu 200 GB an.
Das Teilen der Videos direkt aus der App zu YouTube oder Facebook funktioniert hingegen recht schnell. Die Videos wurden bei YouTube nach kurzer Bearbeitungszeit als 360°-Videos erkannt und automatisch im entsprechenden Player dargestellt. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Online-Services das Video zusätzlich komprimieren und die Qualität so weiter reduzieren.
Die Kamera beherrscht verschiedene Aufnahmemodi: Neben 360°-Fotos und Videos bietet Samsung auch einen Zeitraffer-Modus, einen Videoloop und HDR-Fotos. Von der Blendenkorrektur über die ISO-Empfindlichkeit bis hin zum Weißabgleich können gängige Foto- und Videoeinstellungen individuell den Lichtbedingungen vor Ort angepasst werden. Die ISO-Automatik funktioniert verlässlich von 400 bis 3200 - soweit sich das beurteilen lässt. Bei mäßigen und schlechten Lichtbedingungen sind die Aufnahmen stark verrauscht und fast unbrauchbar. Da hilft auch das lichtstarke Objektive mit einer Blende von f/2.0 nicht viel.
Ein echtes Plus ist die Live-Vorschau der Bilder. Sie kann in drei verschiedenen Ansichten dargestellt werden: In einer Panorama-Version des 360°-Videos, in zwei Einzelbildern der beiden Linsen oder in einem bereits zusammengefügten 360-Bild, in dem man sich mit Hilfe des Touchscreen des Smartphones umschauen kann. Kleine Fehler wie störende Objekte im Bild, falsche Sonneneinstrahlung oder eine schief positionierte Kamera können direkt korrigiert werden und fallen nicht erst im Schnittprogramm auf, wenn es zu spät ist. Auch wenn die Vorschau zuverlässig funktioniert, ist sie leider keine Garantie für ein gelungenes Video. Auf dem Smartphone sieht vieles besser aus als später in der VR-Brille. Man sollte sich auf einen Lernprozess einstellen und darauf, bisher erlangtes Wissen über die Foto- und Videografie zu hinterfragen. Insgesamt ist die Arbeit mit den beiden Samsung-Geräten intuitiv und geht gut von der Hand.
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Die Akku-Leistung der Kamera ist in Ordnung und reicht für zwei bis vier Stunden. Wer länger filmen will, kann eine Wechselbatterie kaufen. Den Akku vom Smartphone belastet die 360°-Video-Produktion allerdings sehr, ganz besonders dann, wenn man die Live-Vorschau ausgiebig nutzt und das Display permanent an ist. Wir mussten das Smartphone deutlich häufiger aufladen als gewohnt. Da ist es natürlich doppelt ärgerlich, dass man die Akkus bei den neueren Galaxy-Geräten nicht mehr wechseln kann.
Ein Schnittprogramm wird mitgeliefert
Samsung liefert mit der Gear 360 eine spezielle 360°-Version von Cyberlinks "Action Director" mit. Dieses bietet rudimentäre Bearbeitungsfunktionen für Einsteiger. Man kann bequem per Drag and Drop 360°-Videos einfügen, kürzen oder mehrere Einzelaufnahmen hintereinander schneiden. Separate Audiospuren oder Musik können ebenfalls problemlos überspielt werden. Ergänzend gibt es ein paar Effekte wie animierte Blenden. Insgesamt ist das Programm leicht zu bedienen und erfordert kaum Vorkenntnisse. Die gerenderten Videos laufen mit allen gängigen VR-Brillen, unter anderem Oculus Rift und Samsung Gear VR. Alternativ kann man die Aufnahmen direkt aus dem Programm auf YouTube oder Facebook hochladen.
Fazit: Passabel auf dem Monitor, für die VR-Brille reicht es noch nicht
Auch wenn es viel Freude bereitet, mit der Gear 360 zu filmen, die Resultate sind - sofern man sie mit der VR-Brille betrachten will - leider nur mäßig. Damit die beiden Linsen je 180° erfassen können, arbeitet Samsung mit einer optischen Verzerrung. Das kennt man von Weitwinkel- oder Fischaugenobjektiven aus der DSLR-Fotografie, die für Panoramen eingesetzt werden.
Zum Problem wird das erst, wenn das Bildmaterial von zwei nicht exakt identischen Optiken zu einem homogenen Gesamteindruck zusammengeführt werden soll. Die Gear 360 übernimmt diese Aufgabe für den Nutzer recht gut und automatisiert. Je nach Aufnahmemotiv können dennoch auffällige Stitching-Artefakte sichtbar werden. Stitching meint die Nahtstelle, an der die Einzelaufnahmen der beiden Linsen "zusammengenäht" werden. Objekte und Personen, die genau am Übergang auftauchen, zerreißt es deutlich und man erkennt gut, wo das eine Bild der Linse aufhört und die nächste Aufnahme beginnt. Umso näher ein Objekt oder eine Person der Kamera kommt, desto stärker ist der Effekt.
Gerade bei schlechten Lichtverhältnissen fehlt es den Bildern an Kontrast und der nötigen Schärfe. Alles was nah bis sehr nah vor den Linsen auftaucht, wird mit einer guten Schärfe abgebildet. Objekte und Personen, die weiter als zwei Meter von der Linse entfernt sind, verschwimmen in der VR-Brille zu einem rauschenden Farbmatsch. Feine Details, wie beispielsweise einzelne Blätter an einem Baum, sind kaum mehr auszumachen. Die Linsen der VR-Brille vergrößern das Bild stark, sodass Unzulänglichkeiten in der Bildqualität besonders auffallen. Auf dem normalen Monitor fällt das weniger ins Gewicht.
Bei einem Preis von 350 Euro kommt das Gerät für all die in Frage, die gerne mit 360-Videos und -Fotos experimentieren wollen und ohnehin schon das notwendige Samsung-Smartphone besitzen. Nur für die Kamera ein teures Smartphone anzuschaffen, lohnt sich aber nicht. Mit rund 900 bis 1.000 Euro würde man im Verhältnis zur Aufnahmequalität zu viel Geld investieren. Wer Geduld hat, sollte mit dem Kauf einer 360-Kamera ruhig noch warten. Der Markt ist ordentlich in Bewegung und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis 360-Kameras zum Knipsen erscheinen, die eine bessere Qualität und sogar den wichtigen stereoskopischen 3D-Effekt bieten.
Wir haben einige Probeaufnahmen in der gleichen Umgebung bei verschiedenen Lichtbedingungen (Tageslicht, Dämmerung) geschossen. Das Probematerial kann man im YouTube-Video unten ansehen oder die unkomprimierte Version hier herunterladen. Die Videodatei muss in dem Ordner Oculus / 360Videos abgelegt und anschließend mit der Samsung oder Oculus Video-App gestartet werden. Alternativ funktioniert auch ein Programm wie Virtual Desktop.
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