VR-Erfahrung „München 72“: Geschichtsstunde zum Attentat in VRChat
Was geschah bei der Geiselnahme israelischer Athleten bei den Olympischen Spielen 1972? Eine VR-Erfahrung des Bayerischen Rundfunks zeichnet die Ereignisse in der VR-Plattform VRChat nach.
Eigentlich sollte es ein fröhliches Sportfest sein. Teilnehmende und Besucher:innen aus aller Welt sollten bei den Olympischen Spielen im Sommer 1972 aufeinandertreffen und einen fairen Wettkampf genießen. Doch dann kam alles anders: Ein Terror-Akt überschattete die Spiele. In den Morgenstunden des 5. September 1972 drangen acht palästinensische Terroristen in die Unterkunft der israelischen Mannschaft ein.
Die Attentäter töteten zwei Athleten, neun weitere hielten sie als Geiseln fest. Es gab Verhandlungen mit einer deutschen Delegation, ein Ultimatum nach dem anderen verstrich. Danach folgte eine Befreiungsaktion durch die bayerische Polizei, die zu einem vollkommenen Desaster wurde: Alle elf Geiseln starben, fünf Terroristen wurden getötet, drei festgenommen. Ein Polizist wurde ebenfalls getötet, ein weiterer schwer verletzt.
___STEADY_PAYWALL___Der Bayerische Rundfunk will die Erinnerung an die Geschehnisse in Virtual Reality vermitteln und erschuf die VRChat-Welt „Munich 72“. Und so findet Ihr die Welt "München 72" in VRChat: Einfach im Suchfeld oben rechts ("Search") nach "Munich" oder "München" suchen, dann könnt ihr die entsprechende Welt durch Anklicken betreten.
Fünf VR-Räume erinnern an das Attentat von 1972
Ich betrete zunächst eine Umkleidekabine mit herumliegenden Taschen, Bällen und einigen einführenden Info-Tafeln. Auf dem Dach des Olympiaturms – oder jedenfalls dessen schlichten virtuellen Nachbau – erlebe ich danach einen 360-Grad-Rundumblick über München: Täuschend echt sieht zwar anders aus, aber darauf kommt es hier nicht an.
In insgesamt fünf Räumen lerne ich etwas über die israelischen Athleten, die damals in München antreten wollten. Chronologisch nähern sich die Räume den Ereignissen am 5. September 1972, die schließlich in der Katastrophe endeten. Zunächst ist alles aber noch beschwingt-fröhlich, im Hintergrund dudelt lässige 70er-Jahre-Musik, Räume mit orangefarbenen Tapeten verströmen den Charme jener Zeit, auf alten Fernsehern laufen Berichte vom sportlichen Großereignis.
Ich kann mit anderen Besuchern gegeneinander in einem Hürdenlauf antreten (es wird sogar die Zeit gemessen), Basketbälle auf Körbe werfen oder einfach nur in einem Campingstuhl auf der grünen Wiese entspannen.
In einem der Wohnheim-Zimmer, in denen die Athleten damals unterkamen, wird es dann langsam hektisch, bedrohlich. Im Radio und im Fernseher berichten die Nachrichten von der Geiselnahme. Die Uhren an der Wand rennen um die Wette, ein Telefon hört nicht auf zu klingeln. Unbehagen macht sich breit.
Begehbare Dokumentation vermittelt das damals vorherrschende Gefühl der Hilflosigkeit
Die Polizei versuchte damals vergeblich, die Geiseln zu befreien und die Terroristen zu überwältigen. Dann verließen die Terroristen mit den Geiseln das Olympische Dorf per Hubschrauber, eine weitere Befreiungsaktion durch die Polizei auf dem Flughafen schlug ebenfalls fehl. Die Terroristen töteten die Geiseln.
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Diese verstörenden Vorgänge erlebe ich (glücklicherweise?) nicht virtuell nach – in der VR-Erfahrung geht es mehr um die Fakten einerseits und das Gefühl der Hilflosigkeit und Trauer andererseits. An einem virtuellen Ort wird der getöteten Sportler gedacht – ihre Namen werden vorgelesen und ich erfahre, wer sie waren.
Der BR nennt die VR-Experience eine „begehbare Dokumentation“, und stößt damit in eine Welt völlig neuer Möglichkeiten vor. „Wir möchten gemeinsam mit dir erkunden, inwieweit sich Social VR für die Vermittlung von Geschichte und journalistischen Inhalten eignet“, begrüßt ein Text die Besuchenden. Vorstellbar wäre etwa, dass Historiker:innen in einer Art Führung das interessierte Publikum begleiten.
Im kleinformatigen Flughafengebäude gibt es zudem einen kleinen Konferenzraum, in dem es rund um den 50. Jahrestag der Olympischen Spiele respektive des Attentates Live-Begegnungen geben soll.
VR-Dokumentationen haben Zukunft
Diese Art, historische Geschehnisse (be)greifbar zu machen, hat Zukunft und ist originell! Auch wenn die Nutzung der Social-VR-Zones nicht immer intuitiv sind: Ich sehe hier fantastische Möglichkeiten. Zwar hat die Grafik von „München '72“ noch Luft nach oben – VR-Spiele können heutzutage mehr bieten. Doch die Prämisse, Ereignisse aus der Vergangenheit in Virtual Reality wieder aufleben zu lassen, ist aus meiner Sicht ganz sicher eine zukunftsweisende Idee, um Bildung und Geschichte zu vermitteln. Dazu kommt, dass Social VR-Apps wie VRChat kostenlos sind und eine vergleichsweise geringe Hürde für VR-Neulinge darstellen.
Wie schrecklich es sich angefühlt haben muss, als im Sommer '72 Terror und Mord den eigentlich schönen Anlass der Olympischen Spiele vergiftete, kann ich durch die gelungene VR-Experience „München '72“ nun etwas besser nachvollziehen.
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