Vive Pro Test: Was wir toll finden und was uns nicht gefällt
Vive Pro ist das erste Upgrade einer VR-Brille im Smartphone-Stil. Vier Tage lang hatte ich Vive Pro im Vergleich mit HTC Vive und testete Apps und Spiele. Im Testbericht ziehe ich ein erstes Fazit und nenne Für und Wider.
Mein Fazit nach vier Tagen Vive Pro
Vive Pro ist die derzeit beste Virtual-Reality-Brille am Markt, daran gibt es nichts zu rütteln. In puncto Bildqualität schlägt sie dank der beiden neuen OLED-Displays mit je 1.440 mal 1.600 Bildpunkten die Standard-Vive und Oculus Rift (beide 1.080 mal 1.200 Bildpunkte) sowie die Playstation VR (960 mal 1.080 Bildpunkte) deutlich.
Dem einzigen Konkurrenten in Sachen Display-Auflösung - Samsungs Odyssey - hat Vive Pro das Steam-Ökosystem samt Valves hervorragendem Trackingsystem voraus. Außerdem wird die Samsung-Brille nicht in Europa verkauft.
___STEADY_PAYWALL___Der Tragekomfort von Vive Pro wurde gegenüber der Standard-Vive deutlich verbessert, ist aber lange nicht perfekt. Gleiches gilt für das Design der Brille, das einfach zu klobig ist. Bei beiden Punkten gibt’s leider keine Fortschritte gegenüber HTC Vive mit Deluxe Audio Strap. Schade ist außerdem, dass die 3D-Controller der Standard-Vive fast unverändert übernommen werden. Auch hier wäre Raum für Innovation gewesen.
Für Vive Pro müssen ohnehin schon schnelle VR-optimierte PCs noch schneller rechnen als für die Standard-Vive. Das zeigt deutlich, an wen sich die Pro-Brille richtet: An VR-Enthusiasten, die bereit sind, hunderte oder gar tausende Euro in PC- und VR-Hardware zu investieren.
Entsprechend legte HTC den Preis fest: 879 Euro ruft das Unternehmen allein für die VR-Brille auf, Controller und Basisstationen nicht inbegriffen. Das ist eine Hausnummer, die Vive-treue VR-Fans ziemlich ärgert.
Aber: Solange andere Hersteller kein ähnliches Produkt anbieten, wird Vive Pros Wettbewerbsfähigkeit nicht ernsthaft auf die Probe gestellt. Und Konkurrenz ist nicht in Sicht: Um LGs Steam-Brille ist es auffällig ruhig geworden. Und der China-Konkurrent Pimax lässt nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne noch auf sich warten.
Da es keine Alternativen gibt, kann HTC den Preis bestimmen und in aller Ruhe nach unten justieren, falls es nötig sein sollte.
[jumbotron tagline="Inhaltsverzeichnis"]Was uns gefällt:
- Einfache Installation
- Deutlich bessere Bildqualität
- Geschmeidige Software-Kompatibilität
- Integrierte Kopfhörer, die gut klingen
- Zwischen-Upgrade im Smartphone-Stil
Was uns nicht gefällt:
- Der Preis
- Die Standard-Vive-Linsen
- Formfaktor und Design
- Die Standard-Vive-Controller
- Der Tragekomfort
Mehr:
[/jumbotron]Was uns gefällt:
Einfache Installation
Standard-Vive ausstecken, Vive Pro anstecken, SteamVR starten, Controller neu zuweisen. Fertig. So muss das sein. Wer noch keine Vive hat und somit das komplette Vive-Setup durchlaufen muss, sollte rund 15 Minuten für die Konfiguration einplanen.
Aufgepasst: Die Linkbox zwischen VR-Brille und PC wird nicht mehr wie bei der Standard-Vive via HDMI, sondern neu mittels Displayport am Rechner angeschlossen. Ein Mini-DP auf DP-Kabel liegt bei. Wer am Notebook oder der Grafikkarte nur einen Mini-DP-Eingang hat, benötigt entsprechend einen DP auf Mini-DP Adapter.
Deutlicher Qualitätssprung zur Standard-Vive dank neuer Displays
Das Kaufargument für Vive Pro sind die hochauflösenden 3,5-Zoll-OLED-Displays mit je 1440 mal 1600 Bildpunkten pro Auge bei 90 Hz. Zum Vergleich: Die Standard-Vive bietet 1080 mal 1200 Bildpunkte pro Auge. Die höhere Auflösung resultiert in einer deutlich besseren Bildqualität.
Für meine Tests hatte ich eine HTC Vive und eine Vive Pro an zwei Rechnern im Parallelbetrieb. So konnte ich direkt zwischen zwei identischen Szenen wechseln und den Qualitätssprung bei der Auflösung besser beurteilen.
Dank der höheren Auflösung sah ich bekannte VR-Spiele und -Anwendungen mit neuen Augen, zum Beispiel Google Earth VR oder die fotorealistischen Fotogrammetrie-Szenen aus Valves “The Lab”. Hier glänzen die Pro-Displays.
Der Unterschied ist nicht gigantisch, aber deutlich sichtbar. Das Bild ist ruhiger, detaillierter und gerade die Fernsicht gewinnt dazu. Die durch die Linsenvergrößerung sichtbaren Lücken zwischen einzelnen Pixeln (Screendoor-Effekt) sind bei Vive Pro besser als bei HTC Vive, wenn auch nicht verschwunden.
Die folgenden Vergleichsbilder wurden direkt durch die Linsen der VR-Brille aufgenommen (ohne Stativ) und vermitteln einen Eindruck der deutlich höheren Vive-Pro-Bildqualität:
Geschätzt konnte ich mit Vive Pro circa acht virtuelle Meter in die Ferne schauen und noch feine Details ausmachen. Bei der Standard-Vive liegt die scharfe Sehdistanz eher bei rund vier Meter. Dafür sind die Farben etwas knalliger, den Unterschied merkt man aber nur im Direktvergleich.
Das Bild mit Vive Pro hat insgesamt mehr Tiefe und wirkt plastischer. Eine hohe Bildauflösung bedeutet zwar nicht alles für ein gutes Präsenzgefühl. Aber Vive Pro zeigt, dass sie eine entscheidende Rolle spielt. Der Weg zurück zur Standard-Vive fällt schwer, wenn man die Virtual Reality durch die Pro-Brille gesehen hat.
Geschmeidige Software-Kompatibilität mit der Standard-Vive
Alle von mir getesteten SteamVR-Apps liefen sofort und ohne Einschränkungen mit Vive Pro. Die Auflösung wurde automatisch auf die native Pixelzahl der neuen Displays angepasst. Zusätzliche Anpassungen bei Steam oder Einstellungen im Menü der VR-App waren nicht nötig.
Integrierte Kopfhörer, die gut klingen
Bei der Standard-Vive ohne Deluxe Audio Strap müssen Nutzer externe Kopfhörer anschließen und ins Ohr fummeln. Das ist umständlich und nervig. Die integrierten Kopfhörer von Vive Pro sind deutlich praktischer in der Handhabung und klingen hervorragend. Möchte man hören, was um einen herum geschieht, kann man sie einfach nach oben klappen. Dadurch ist man nicht so abgeschottet. Wer einen Deluxe Audio Strap oder eine Oculus Rift besitzt, kennt diese Funktion. Wem der Klang nicht gefällt, kann die integrierten Kopfhörer abschrauben und durch eigene ersetzen.
Zwischen-Upgrade im Smartphone-Stil mit Steam VR 2.0
Warum lange auf einen Nachfolger warten, wenn es auch viel früher schon deutlich besser geht? Ein Pro-Upgrade innerhalb eines Lebenszyklus ist eine gute Idee für all jene Enthusiasten, die immer das technisch gerade bestmögliche Gerät besitzen wollen. Für HTC dürfte sich der Aufwand bei Konzeption und Herstellung im Vergleich zur Standard-Vive in Grenzen halten. Das klingt nach einer Win-Win-Situation für Hersteller und zahlungswillige Erstkäufer.
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Mit den höher aufgelösten VR-Displays erfüllt HTC der VR-Gemeinschaft frühzeitig den wohl größten Wunsch nach einer höheren Bildqualität. Außerdem unterstützt Vive Pro Valves SteamVR Tracking 2.0, so ist das Gerät recht zukunftssicher ans Steam-Ökosystem angedockt.
Für einen echten Vive-Nachfolger hingegen ist die Technologie noch nicht reif. Dafür bräuchte es größere Entwicklungssprünge wie beispielsweise serienmäßiges Eye-Tracking.
Was uns nicht gefällt:
Der Preis
Der hohe Preis ist eindeutig der größte Minuspunkt von Vive Pro: 879 Euro fallen allein für die VR-Brille an. Mit Zubehör werden circa 1200 Euro fällig. Für 500 Euro könnte man das Pixel-Upgrade VR-Enthusiasten und Vive-Fans bedenkenlos empfehlen. Bei einem Preis von fast 900 Euro nicht. Letztlich wird der Markt entscheiden, ob sich HTC verkalkuliert hat.
Für Geschäftskunden, die höhere Anschaffungskosten leichter verschmerzen können als Privatnutzer, mag sich die Pro-Brille lohnen. Sie können den Pixel-Zugewinn womöglich als Verkaufsargument bei ihren eigenen Kunden einsetzen, beispielsweise um mehr Besucher in eine Spielhalle zu locken.
Umso kurioser ist es, dass HTC zum Start von Vive Pro keine Business-Edition anbietet. Und das obwohl es das Lizenzmodell schon für die Standard-Vive gibt und die Industrie sowie der Bildungssektor angeblich ein lukrativer VR-Markt für HTC sind.
Die Standard-Vive-Linsen
Die Fresnel-Linsen in Vive Pro sind die gleichen wie die in der Standard-Vive. Dabei stellte Valve erst vor wenigen Monaten runderneuerte Linsen für SteamVR-Brillen vor. Die schafften es aus unbekannten Gründen leider nicht in Vive Pro.
VR-Nutzer müssen sich bei kontrastreichen Szenen daher weiterhin auf störende Lichtstrahlen einstellen, die sich in den nach wie vor sichtbaren Rillen des Fresnel-Schliffs brechen. Auch ein größerer Sweetspot - die Stelle, an der die Linse das Bild komplett scharf zeichnet - wäre toll gewesen.
Immerhin: Durch einen Schieberegler kann man den Abstand der VR-Brille zu den Augen bequem verstellen und die Brille sogar näher an das Gesicht heranrücken als bei der Standard-Vive. Davon profitiert die Sichtfeldweite.
Eine Brille trage ich nicht, aber das Gehäuse ist zu den Seiten etwas geräumiger als das der Standard-Vive. Brillenträger sollten mit dem neuen Modell daher besser zurechtkommen.
Formfaktor und Design
Die integrierten Kopfhörer sind praktisch und der Klang gut. Aber die VR-Brille wirkt mit ihnen noch wuchtiger und klobiger als die Standard-Vive. Der Trend sollte eigentlich in die andere Richtung gehen. So wirkt das Gerät abschreckend auf Laien und Außenstehende.
Immerhin war HTC bei der Farbe mutiger, die zwar Geschmackssache ist, mir persönlich aber gut gefällt. VR-Brillen müssen nicht schwarz oder grau sein.
In puncto Design hat Oculus weiter die Nase vorne und bietet ebenfalls integrierte und bequeme Kopfhörer bei einem eleganten Formfaktor.
Die Standard-Vive-Controller
HTC behält die Standard-Vive-Stäbe für Vive Pro unverändert bei und schließt somit nicht auf Oculus’ tolle Touch-Controller für Oculus Rift auf. Allein die Sensoren der Controller wurden ausgetauscht, sodass sie mit SteamVR Tracking 2.0 kompatibel sind.
HTC kann so zumindest gewährleisten, dass alle Interaktionen der Standard-Vive-Software ohne Updates und Patches mit Vive Pro möglich sind. Dennoch: etwas mehr Innovation wäre spannend gewesen.
Der Tragekomfort
Vorweg: Der Tragekomfort ist individuell und abhängig von Kopf- und Gesichtsform. VR-Brillen sind eben ein Kleidungsstück und passen nicht bei jeder Person gleich gut. Ich habe noch keinen Feldversuch gemacht und berichte daher nur aus meiner persönlichen Perspektive im Vergleich zu anderen VR-Brillen.
Persönlich suche ich nach vier Tagen noch nach dem optimalen Sitz für Vive Pro. Konkret stört mich, dass die Brille nach links und rechts deutlich mehr Spielraum hat als die Standard-Vive mit Deluxe Audio Strap. Mache ich ruckartige Bewegungen, verrutscht die Brille und ich muss sie neu ausrichten.
Die überarbeitete Kopfhalterung hat bei mir nicht den gleichen stabilen Halt wie die Standard-Vive mit Deluxe Audio Strap. An die fast zwei Jahre alte Komfortreferenz Playstation VR kommt Vive Pro nicht heran.
Neutral: Performance-Hunger
Es ist natürlich nicht der Fehler von Vive Pro, dass eine höhere Auflösung auch mehr Leistung verlangt. Dennoch sollte es speziell Spielern klar sein, dass sie womöglich in eine schnellere Grafikkarte und CPU investieren müssen, wenn die aktuelle Ausrüstung noch unterhalb der empfohlenen Mindestleistung für Vive Pro liegt.
Ich testete Vive Pro mit der von HTC empfohlenen GTX 1070, die bei der nativen Auflösung bei einigen Anwendungen schon an ihre Grenzen geriet, sodass ich Ruckler bemerkte (Google Earth VR, Doom VFR).
So richtig Freude bringt Vive Pro wohl erst ab einer GTX 1080, speziell in Hinblick auf die nächsten zwei bis drei Jahre mit grafisch hoffentlich aufwendigerer VR-Software. Mit einer GTX 970, das ist die empfohlene Karte für die Standard-Vive, hatte ich selbst in Valves VR-optimiertem “The Lab” Probleme mit der Bildwiederholrate.
Vive Pro ausgepackt
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