Neurowissenschaftler: "Gehirn-Computer-Schnittstellen sind keine Fiktion"
Virtual und Augmented Reality sind noch nicht ausgereift, schon träumen die Visionäre des Silicon Valley von einer direkten Verbindung zwischen Hirn und Computer. Elon Musk hat ein Unternehmen gegründet, das sich die Speicherung menschlicher Gedanken zum Ziel setzt und bei Facebook arbeiten 60 Forscher am ultimativen Interface. Doch ist so etwas überhaupt umsetzbar? Ein Neurowissenschaftler gibt Antwort.
Mikhail Lebedev forscht an der Duke University an Hirn-Computer-Schnittstellen und gewann vor kurzem einen mit 100.000 US-Dollar dotierten Preis für eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema. Er glaubt, dass sich Menschen in zwanzig Jahren Millionen von Elektroden ins Hirn implantieren und Computern Gedanken diktieren werden. Womöglich geschieht das sogar schon früher.
"Es kann sein, dass ich falsch liege, denn wenn neue Technologien in diesem Gebiet auftauchen, kann es sehr schnell gehen. Vor zehn Jahren baute man Elektroden ins Gehirn, die einen halben Millimeter groß waren. Heute haben wir Elektroden im Nano-Maßstab", sagt Lebedev gegenüber Singularity Hub.
___STEADY_PAYWALL___Das Potenzial von Neuroimplantaten sei noch längst nicht ausgeschöpft. Der Forscher führt das auf die hierfür erforderlichen chirurgischen Eingriffe zurück. Mit bisherigen nichtinvasiven Verfahren wie dem EEG erhalte man nicht genug oder fehlerhafte Informationen zur Hirnaktivität. Wäre es möglich, Millionen von Neuronen zu messen, hätte man wenigstens Daten, mit denen man arbeiten könnte, meint Lebedev.
Den Hirncode knacken
Doch selbst dann sei man noch nicht am Ziel angekommen, da man die Daten zuerst korrekt interpretieren muss. Hierfür sei es erforderlich, die Sprache des Hirns verstehen zu lernen. Verfahren zur Übersetzung von Hirnaktivität in Sprache seien noch nicht sehr fortgeschritten. Der Neurowissenschaftler hält es deshalb für unwahrscheinlich, dass man in den nächsten zehn Jahren den "Hirncode" knacken und Gedanken entschlüsseln können wird.
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Die ersten, sinnvollen Anwendungen für ein Hirn-Computer-Interface sieht Lebedev im Bereich Augmented Reality. Hier könnten sich das Hirn und der Computer sinnvoll ergänzen: "Mein Erinnerungsvermögen ist beschränkt, sodass AR-Brillen helfen könnten. Zum Beispiel könnte mich eine KI durch eine Umgebung lotsen [...] Das Hirn gibt Beispiele vor und der Computer lernt, während das Hirn auf die Rechenleistung des externen Geräts zurückgreift."
Erweiterte Sinnesfähigkeiten
Ein weiteres, naheliegendes Anwendungsszenario sieht Lebedev in Neuroimplantaten, die Sinnesfähigkeiten verbessern oder erweitern. Mit Hilfe von Sensoren werde man zum Beispiel magnetische Felder wahrnehmen oder das Sichtfeld künstlich erweitern können. Die Manipulation des Hirns berge allerdings auch Gefahren.
"Der größte Nachteil ist derselbe wie bei Drogenmissbrauch. Man stelle sich vor, jemand hat ein Implantat im Lustzentrum und stimuliert sich unaufhörlich. Ein solches Szenario gefällt einem nicht, aber es wird schwer zu vermeiden sein", sagt Lebedev. Andere Schreckensszenarien wären die Fernsteuerung von Soldaten durch das Militär oder das Lesen von Gedanken. "Man wird Dinge aufspüren können, die man normalerweise lieber für sich behält."
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