Ich habe einen Waggon in Virtual Reality entkoppelt - und hatte Spaß dabei

Die Deutsche Bahn experimentiert für eine Reihe von Aufgaben mit Virtual-Reality-Training. Das soll Zeit und Geld sparen.
Ich stehe in einem Zug am Übergang zwischen zwei Waggons. Meine Aufgabe: den einen Waggon vom anderen abkoppeln. Wie das geht? Keine Ahnung. Ehrlich gesagt spielte der Waggonentkopplungsvorgang in meinem Leben bislang eine eher untergeordnete Rolle. Nicht einmal habe ich darüber nachgedacht, wie es funktionieren könnte. Obwohl ich ganz oft Zug gefahren bin. Aber jetzt, wo ich mit der VR-Brille auf dem Kopf im virtuellen Zug stehe, bin ich plötzlich neugierig.
Ein Glück habe ich meinen privaten Anweiser dabei, der mich Schritt für Schritt durch den Arbeitsvorgang lotst. Stephan Hecker arbeitet bei der Bahn im Team Eve, das sich fürs VR-Training verantwortlich zeichnet. Eve steht für "Engaging Virtual Education". Oder anders: VR-Training, das wirkt und Spaß bringt.
Schritt für Schritt zur erfolgreichen Entkopplung
Die Spannung steigt im Berner Raum
Die Herausforderung: Simulation von Haptik und Physik
Jetzt widme ich mich meiner letzten Aufgabe für heute: Ich lockere die Halterung der Waggon-Kupplung und ziehe sie heraus. Die ist so schwer, dass ich sie mit beiden Controller-Händen packen muss. Laut Hecker ist diese Simulation von physischen Eigenschaften der Gegenstände - also wie schwer ist die Kupplung, wie steif ist ein Schlauch - die größte Herausforderung bei der Entwicklung von VR-Trainings.
Am jetzt entkoppelten Waggon ist eine Aufhängung, dort hieve ich die Kupplung hin und hänge sie an einem Bügel ein. Fertig. Ich habe gerade das erste Mal in meinem Leben einen Waggon erfolgreich entkoppelt. Ein bisschen stolz bin ich schon. Und wenn ich das nächste Mal zwischen zwei Zugabteilen stehe, werde ich mein virtuell gelerntes Wissen überprüfen. Nur als Gedankenspiel, versteht sich.
Bilder im Kopf
Es ist ist jetzt gut zwei Wochen her, dass ich das VR-Training der Bahn durchlief. Während ich diesen Artikel schreibe, bemerke ich etwas Spannendes: Ich schließe die Augen, um mich an die einzelnen Handgriffe und Bewegungen während des VR-Trainings zu erinnern.
Dabei sehe ich mich selbst, wie ich im Abteil und auf dem Gleis zwischen den Waggons stehe. Hätte ich die virtuelle Entkopplung fünf- statt einmal durchlaufen, ich bin mir sicher, dass ich rein virtuell schon Routine für eine reale Entkopplung entwickelt hätte.
[blockquote]Auswendig lernen in der Virtual Reality[/blockquote]Was natürlich noch fehlt, ist das Gefühl für die einzelnen Bauteile: Wo muss ich fest zupacken, was geht leicht von der Hand, wie schwer ist ein Gegenstand. VR-Training eignet sich insbesondere, um die Abfolge von Arbeitsschritten zu verinnerlichen.
Diese Routine ist bei der Bahn gerade bei Arbeitsvorgängen wichtig, die besonders schnell erledigt werden müssen. So wie der Auf- und Abbau eines Hublifts für Rollstuhlfahrer: Wenn hier nicht jeder der 28 Handgriffe innerhalb von vier Minuten sitzt, hat der ICE Verspätung. Das folgende Video zeigt das VR-Hublift-Training.
Für die Bahn wird sich die Investition ins VR-Training lohnen, glaubt Hecker. "Unsere Züge sind teuer und können nicht überall geparkt werden. Außerdem sollen sie draußen unterwegs sein und nicht herumstehen. Mit Virtual Reality können wir Schulungen erheblich vereinfachen und dezentral durchführen. Das senkt Zeitaufwand und Kosten bei der Ausbildung", sagt Hecker.
Die VR-Trainings der Bahn sind derzeit in einer Pilotphase. Bahnmitarbeitern ist es freigestellt, in der Virtual Reality zu trainieren. Das Entkopplungsszenario war rund zweieinhalb Monate in Entwicklung.
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