Virtual Reality: Brutaler 360-Grad-Film schockt Ausstellungsbesucher
Vor wenigen Tagen eröffnete in New York die Whitney Biennial, eine Kunstausstellung, die zeitgenössische Werke aus den USA zeigt. Von allen Arbeiten, die dort zu sehen sind, hat ein 360-Grad-Film namens "Real Violence" für das meiste Aufsehen gesorgt.
Um Jordan Wolfsons Film zu sehen, werden die Besucher der Kunstausstellung an einen rechteckigen Tisch geführt, auf dem mehrere Oculus Rift VR-Brillen liegen. Ein Schild warnt die Besucher: "Enthält grausames Bildmaterial. Nicht für Kinder unter 17 Jahren." Zu beiden Seiten des Tisches ist eine Metallstange befestigt, an der sich die Besucher festhalten können, um beim Betrachten des Films nicht umzufallen.
In "Real Violence" sieht man zunächst nur einen blauen Himmel. Dann fährt die Kamera nach unten und zeigt eine Straße. Der Künstler erscheint im Bild, schaut dem Betrachter ins Gesicht, greift zu einem Baseballschläger und drischt damit auf eine Puppe am Boden ein. Nachträglich hinzugefügte Spezialeffekte sorgen dafür, dass die Puppe wie ein echter Mensch aussieht, von dem nach 90 Sekunden nicht mehr viel übrig ist.
___STEADY_PAYWALL___Ist der Film ein politischer Kommentar?
"Dieses Werk ist abstoßend", schreibt der Kunstkritiker Ben Davis als Reaktion auf das Video. "Es bringt dich zum Reden, aber hauptsächlich darüber, wie seicht Kunst sein kann."
Im Film hört man Wolfson Gebete in Hebräisch zitieren. Nicht zuletzt deshalb schlossen viele Kritiker, dass der Film politisch motiviert sei. So stellt Davis einen Bezug zu sich häufenden Gewalttaten wütender Mobs und dem Wiedererstarken des Antisemitismus in den USA her.
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Im New Yorker Magazine schrieb Jerry Saltz, dass der Film eine Metapher für die unkontrollierte Wut sei, die er an Trumps Wahlveranstaltungen beobachtet hätte. Nate Freeman schrieb auf Artnews, dass das Schockierende an der VR-Erfahrung die Passivität sei, die sie dem Betrachter aufzwingt: "Du fühlst dich, als wärst du dort, aber du hast keine Kontrolle über den Ausgang der Ereignisse. Ich bewegte meinen Kopf, aber ich konnte nicht verhindern, was als nächstes passiert."
Gewalt als ein Akt reiner Zerstörung
Laut Isaac Kaplan von Artsy wollte Wolfson im Zuschauer genau dieses Gefühl von Machtlosigkeit wecken. Für den Künstler sei Virtual Reality bisher zu interaktiv gewesen. Indem Wolfson dem Betrachter die Möglichkeit nimmt, in die Ereignisse einzugreifen, macht er erfahrbar, was Gewalt bedeutet: dass man einer schädigenden, äußeren Einwirkung hilflos ausgeliefert ist. Im Film sieht man ein passives Opfer durch die Augen eines passiven Beobachters.
Ebenso wichtig ist, dass Wolfson die gezeigte Gewalt in keinerlei Geschichte einbettet, die das Ereignis erklären und ihm wie auch immer gearteten Sinn geben könnte. Der erzählerische Kontext, den wir von Actionfilmen gewohnt sind, fehlt vollkommen. Dadurch, dass Wolfson auf eine Geschichte verzichtet, entzieht er der Gewalt jegliche Legitimation und Sinnhaftigkeit und entlarvt sie als das, was sie in Wirklichkeit ist: ein Akt reiner Zerstörung.
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