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In den USA hat die Corona-Pandemie die Adaption von Gesichtserkennungs-Systemen im Einzelhandel beschleunigt. Eine Kampagne wendet sich nun gegen den Trend.

Die Gesichtserkennung im Einzelhandel verspricht mehr Informationen über Kunden und Angestellte: Wer kauft wo wann was? Wie bewegen sich Kunden durch die Läden? Welche Angestellten interagieren häufiger mit Kunden, welche weniger?

Die Menge an verwertbaren Informationen durch die automatische Identifizierung von Personen ist riesig. Die gesammelten Kundendaten könnten für gezielte Werbung im Geschäft und im Internet oder für personalisierte Preise auf der Grundlage von vermutetem Einkommen verwendet werden.

Darüber hinaus versprechen die Systeme detaillierte Überwachungsmethoden: Ladendiebe werden automatisch erkannt und direkt vom Sicherheitsdienst aus dem Geschäft befördert. Als verdächtig eingestufte Bewegungen werden getrackt und sollen potenzielle Ladendiebe sogar noch vor dem Diebstahl entlarven (siehe Video). Menschen mit Vorstrafen könnte in Zukunft direkt der Zutritt zu bestimmten Geschäften verwehrt werden.

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Corona-Sicherheitsmaßnahmen als Rechtfertigung für neue Überwachungssysteme

Eine Gruppe von Interessenverbänden hat die Verbreitung von Überwachungstechnologie im Einzelhandel untersucht und kommt zu dem Schluss, dass sie sich unter dem Deckmantel der Kundensicherheit im Rahmen der Corona-Pandemie weiter verbreitet hat.

"Gesichtserkennungsanbieter nutzen die Pandemie, um für ihre Technologie zu werben, mit der sie kontaktloses Bezahlen oder die Überwachung des Abstands zwischen Personen anbieten können", so Caitlin Seeley George von Fight for the Future. "Geschäfte bewerben diese Funktionen als Sicherheits- und Komfortmerkmale."

Auch der Whistleblower Edward Snowden warnt davor, dass Regierungen und Unternehmen im Zuge der Corona-Pandemie KI-Überwachungssysteme ausbauen könnten und sich dann an deren Vorteile gewöhnen.

Apple Stores setzten auf Gesichtserkennung

Eine Liste von Händlern gibt einen Überblick über Anbieter, die Gesichtserkennung bereits einsetzen, möglicherweise einsetzen werden und nicht einsetzen wollen.

Bisher setzen noch wenige Händler auf Gesichtserkennung, viele Händler wollen auf die Technologie verzichten, darunter auch Riesen wie Walmart, Kroger, Home Depot und Target. Doch unter den Händlern, die die umstrittene Technologie bereits einsetzen, zählen bekannte Namen wie Apple, Albertson's oder Macy's.

Empfehlung

Dort kommen die Überwachungssysteme bisher primär für Sicherheitsaufgaben zum Einsatz - vor allem um Ladendiebstähle zu verhindern. Doch auch dieser Einsatz ist stark umstritten, da die Systeme Menschen immer wieder falsch identifizieren.

Erst im Mai wurde Apple verklagt, weil ein Unschuldiger wegen Ladendiebstahls verhaftet wurde. Der Grund: menschliches Versagen, ein ungenaues Gesichtserkennungssystem und ein ans Kriminelle grenzender Umgang mit Beweismitteln.

Emotionserkennung als nächster Schritt?

Doch Händler planen weitere Anwendungen, um etwa Treueclub-Mitglieder im Geschäft mit Push-Benachrichtigungen und Textnachrichten über Angebote oder Produkte zu informieren, die Verweildauer eines Kunden im Geschäft zu messen oder um Angestellte automatisch ein- und auszustempeln und ihren Aufenthaltsort und ihre Produktivität zu überwachen, sagt Brenda Leong, Senior Counsel und Direktorin für Künstliche Intelligenz und Ethik bei der Future of Privacy Foundation.

Der nächste Schritt sei die Emotionserkennung: KI-Überwachung soll Gesichtsausdrücke interpretieren, Schweiß auf der Haut einer Person erkennen oder eine erhöhte Herzfrequenz identifizieren. Dabei ist KI-gestützte Emotionserkennung ohnehin umstritten.

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"Wenn jemand in eine Apotheke geht und das System erkennt, dass er ängstlich oder besorgt ist - wird man dann versuchen, ihm ein Schlafmittel zu verkaufen?", fragt Leong. "Einzelhändler könnten den emotionalen Zustand einer Person ausnutzen, ohne dass diese Person davon weiß. Das ist ein echtes Kräfteungleichgewicht."

Die Interessenverbände wollen diese dystopische Zukunft mit ihrer Kampagne "Ban Facial Recognition" verhindern. Völlig aussichtslos ist ihr Kampf nicht: Im September 2020 verbot die US-Stadt Portland den Einsatz von KI-Software für die Gesichtserkennung für Behörden und Unternehmen. Der US-Bundesstaat Maine untersagt zumindest staatlichen Akteuren den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie. Es gibt weitere Beispiele für Widerstand in den USA und Europa.

Via: Axios

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Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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