VR-Geheimtipp: Geht auf eine Bahnreise, wie ihr sie noch nicht erlebt habt

VR-Geheimtipp: Geht auf eine Bahnreise, wie ihr sie noch nicht erlebt habt

The Passengers ist ein außergewöhnliches VR-Erlebnis, das euch in die Haut und Gedankenwelt von fremden Mitreisenden schlüpfen lässt.

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Vier einander unbekannte Personen sitzen sich in einem Zugabteil gegenüber: eine Frau, ein Mann, ein Kind und eine ältere Dame. Wir verkörpern nacheinander alle vier Reisenden und erleben die gleiche zehnminütige Zugfahrt aus den individuellen Perspektiven. Dabei eröffnet sich uns ihre Innenwelt: Wir hören ihre Gedanken und tauchen in die Erinnerungen ein, die sie beschäftigen.

Jeden der Reisenden treibt etwas anderes um. Die Frau beschäftigt sich in Gedanken mit ihrer Beziehung, die sich an einem Scheideweg befindet. Sie erinnert sich an einen schicksalhaften Moment und wünscht sich, anders gehandelt zu haben. Der Mann, der ihr gegenübersitzt, ringt mit seinen Selbstzweifeln und seiner Schüchternheit, denn er möchte die Frau ansprechen. Auch er versinkt in Erinnerungen und durchlebt Szenen seiner Vergangenheit, in denen er nicht den Mut hatte, das zu sagen und zu tun, was er sagen und tun wollte. Das Kind, das über einer Zeichnung brütet, wünscht sich den Vater zurück, der die Familie im Streit verließ. Auch hier nehmen wir an erinnerten Momenten teil, die sich dem von Schuldgefühlen geplagten Kind ins Gedächtnis gebrannt haben.

Während diese drei Fahrgäste von ihren traumatischen Erinnerungen heimgesucht werden, hat die ältere Dame mit dem Verblassen ihres Gedächtnisses zu kämpfen. Sie versucht, schwindende Einzelheiten einer Erinnerung aus ihrer Jugend aufzurufen, die sie bis in die Gegenwart verfolgt.

Gefärbte Wirklichkeiten

Die Szene im Zug ist animiert und spiegelt die unterschiedlich gefärbte subjektive Realität der vier Personen wider. Für die Frau erscheint die Außenwelt als ein mit ausdrucksstarken Pinselstrichen gemaltes Ölgemälde, für den ängstlichen Mann als ein blasseres Aquarell. Durch die Augen des Kindes gesehen wirkt die Welt wie mit Buntstiften gemalt und für die Dame schließlich als schwarz-weiße Bleistiftzeichnung.

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Die Erinnerungen, in die man immer wieder eintaucht, bilden einen visuellen Kontrast dazu. Diese Szenen wurden mit einer 360-Grad-Realfilmkamera aus der Perspektive der Person eingefangen, das Material wirkt daher unmittelbarer und persönlicher als die geteilte Realität des Zugabteils.

The Passengers hat auch einige interaktive Momente. Die Person, die man verkörpert, reagiert in Gedanken auf die Fahrgäste, die man anschaut und an einigen Stellen kann man durch den Akt des Sprechens entscheiden, wie sie sich verhält. Diese und andere Interaktionen bleiben jedoch oberflächlich. Was die VR-Erfahrung einprägsam macht, sind die Narration und die visuellen Stilmittel, nicht die Handlungen, die zumindest in meinem Durchgang konsequenzlos blieben.

Ein tieftrauriges Kunstwerk

The Passengers ging mir nahe, weil ich vier Jahre meines Lebens als Pendler verbracht habe und dabei werktags stundenlang in der Bahn saß. Einmal die Perspektive anderer Fahrgäste zu erleben, die Welt mit den Augen fremder Menschen zu sehen, für ein paar Minuten in deren Lebenswelt einzutauchen, war ein bewegendes Erlebnis, das durch Virtual Reality wahrscheinlich noch eindringlicher und intimer wirkt, als es mit anderen Medien möglich wäre.

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Bedauerlich ist, dass zwischen den Personen keine nennenswerten Interaktionen oder Gespräche entstehen. Die Handlung bricht jedes Mal ab, bevor sie interessant wird. Die Menschen bleiben in ihren privaten Gedankenwelten gefangen, ohne dass eine Begegnung, ein wirklicher Austausch stattfindet. Das macht The Passengers für mich zu einem tieftraurigen Kunstwerk.

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Wohin die Handlungen führen, wie es weitergeht, bleibt offen, der eigenen Fantasie überlassen. Es gibt keine fünfte Perspektive, keinen allwissenden Erzähler, keine Rahmenhandlung, in die das Geschehen eingebettet ist und aus dem es seinen Sinn erhalten könnte. So bleibt man am Ende etwas ratlos zurück, konfrontiert mit einer Multiperspektivität, die unaufgelöst bleibt.

The Passengers könnt ihr im Horizon Store und bei Steam erwerben. Der Preis beträgt 5 Euro.

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