Erschwingliche VR180-Kameras: Slam Xcam könnte eine Option werden

Auf Kickstarter ist derzeit eine neue VR180-Kamera im Angebot. Unser Experte hat die Kampagne unter die Lupe genommen.
Ein Artikel von Daniel Pohl
Das VR180-Format eignet sich gut für die Wiedergabe immersiver Fotos und Videos, bei denen der Betrachter sich dank des weiten Blickwinkels und der stereoskopischen Darstellung wie in die Szene versetzt fühlt.
Während es im Jahr 2018 mit einer guten Auswahl an z.B. der Lenovo Mirage Camera, Vuze XR oder Insta360 EVO einfach war, solche Inhalte zu erstellen, sieht die Situation derzeit anders aus: Der Markt für günstige VR180-Kameras ist praktisch inexistent und es gibt fast ausschließlich professionelle VR180-Lösungen zu entsprechend hohen Preisen.
Eine Ausnahme ist die Calf Visinse (Gen 2) Kamera, die derzeit rund 900 Euro kostet. Wie ich im Test der Calf Visinse Kamera auf MIXED berichtet habe, gab es zum Veröffentlichungszeitraum einige Software-Probleme. Einige davon scheinen behoben zu sein, andere werden hoffentlich noch gelöst.
Anfang 2025 erscheint mit der Slam Xcam eine weitere stereoskopische VR180-Kamera, die sich ebenfalls an Verbraucher richtet. Der günstigste Preis der Kickstarter-Kampagne der Slam Xcam für den Einstieg liegt bei 1.000 Euro inkl. Verzollung.
In diesem Artikel beleuchte ich, inwieweit sich eine Beteiligung an dem Kickstarter-Projekt der Slam Xcam lohnt und bewerte anhand der verfügbaren Beispielmedien die Qualität.
Inhalt
Die Slam Xcam in aller Kürze
Mit der neuen Slam Xcam kommt eine weitere VR180-Kamera für Konsumenten auf den Markt. Mit 8K Foto- und Videoptionen, einem verhältnismäßig kompakten Formfaktor und einem angemessenen Preis ist das Kickstarter-Projekt einen Blick wert.
Slam Xcam könnt für euch geeignet sein, wenn …
- ihr einen Einstieg in das halbsphärische VR180-3D Format wünscht und
- ihr vom Budget her nicht deutlich über 1.000 Euro gehen wollt.
Slam Xcam ist weniger geeignet für euch, wenn …
- ihr die derzeit bestmögliche VR180-Qualität wollt, auch wenn das 3.000 bis 6.000 Euro kostet (z. B. Canon Dual Fisheye) und
- ihr wegen den aktuell noch vorliegenden Bugs abwarten wollt, wann und ob diese behoben werden.
Hintergrund zu Slam
Der Firmenname "Slam" dürfte einigen MIXED-Lesern ein Begriff sein. Vor einem Jahr wagte die Firma bereits einen Einstieg in die Welt der VR180-Kameras mit dem Slam VR180 3D Smartphone. Die Kampagne auf Indiegogo lief etwa 30 Tage bevor sie aufgegeben wurde. Dafür gab es mehrere Gründe:
- Die damals angebotenen 4K-Videoauflösungen sind für VR180-3D nicht ausreichend
- Der Smartphone-Formfaktor ist auf wenig Anklang gestoßen. Ein Ersatz für das eigene, gegebenenfalls hochwertige Alltagshandy, wäre das Slam Smartphone mit dem günstigen Preis von rund 300 Euro nur für die wenigsten geworden.
- Die Aufnahme von VR180-Medien von einem sehr dünnen Telefon aus ist schwierig, da häufig die eigenen Finger im Bild sind.
Der Kopf hinter der Kampagne, Slam-CEO James Wang, hat auf das Feedback gehört und das Projekt zugunsten einer VR180-Kamera im Kompaktkamera-Formfaktor eingestellt.
Das Hauptaugenmerk lag dabei auf einer höheren Qualität der Sensoren und der daraus resultierenden Auflösung. Die Basis ist nach wie vor ein Smartphone, aber dieses Mal mit einem größeren Gehäuse und professionellen Linsen. Das Betriebssystem der Kamera ist Android. Dies ist ein sehr geschickter Ansatz, da man so einfach und schnell einen großen Touchscreen mit einer sehr guten Übersicht hat und auch andere Android-Apps auf dem Gerät laufen lassen kann.
Slam Xcam im Vergleich
Insgesamt sind die beiden neueren VR180-Kameras (Slam Xcam, Calf Visinse) mit gerundeten 8K Foto- und Videoauflösungen ein deutlicher Fortschritt gegenüber der alten Insta360 EVO. In VR wirken bei den höheren Auflösungen die Bilder daher merklich schärfer.
Idealerweise würde man als Aufnahmequelle sogar mehr als 8K für VR180-Content haben wollen, was im Consumer-Bereich aber sicher noch lange dauern wird (für 30.000 US-Dollar bekommt man bei Blackmagic Design 16K horizontal pro Auge).

Die Spezifikationen im Vergleich. | Bild: MIXED
Medien zum Download
Falls Ihr euch einen Teil der von Slam Inc. veröffentlichten Medien in VR selbst anschauen wollt, habe ich euch hier ein Paket mit einem Video und sieben VR180-3D Bildern von der Slam Xcam zum direkten Download zusammengestellt.
Alternativ könnt ihr das Material auch in der Quest-App immerGallery (kostenlos und Vollversion) herunterladen. Geht dazu in der App auf Download, Custom URL, und tippt slam in das Adressfeld neben https:// ein. Dann "Go!".
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Analyse der Medien
Die Medien aus dem Download oben stammen direkt von Slam Inc. und sind aktuelle Aufnahmen vom Dezember 2024 und Januar 2025. Sie spiegeln den aktuellen Stand der Firmware wider. Leider sind mir beim genauen Betrachten einige Probleme aufgefallen. Sehr wahrscheinlich sind diese softwarebedingt und können mit einem zukünftigen Firmware-Update behoben werden. Die Problemfälle habe ich dem CEO von Slam Inc. vor zwei Monaten gemeldet.
Problem 1: Unterschiedliche Farben zwischen der linken / rechten Aufnahme
Bei mindestens einem Bild wird schnell deutlich, dass sich die Farbtöne zwischen dem Bild für das linke Auge und dem Bild für das rechte Auge deutlich unterscheiden. Bei einem 2D-Bild wäre der exakte Farbwert weniger relevant. Bei 3D kann es jedoch zu Augenermüdung und Motion Sickness kommen, wenn die Darstellung zu unterschiedlich ist.

Die Farben des linken und rechten Bildes fallen in diesem Beispiel unterschiedlich aus. | Bild: Slam Inc.
Problem 2: Treppenstufen
In den Medien kann man an verschiedenen Stellen einen Treppenstufen-Effekt ausmachen, der schlagartig an einer Grenze eintritt und nur in bestimmten Bildbereichen vorkommt. Die Ursache ist vermutlich ein Fehler bei der Konvertierung des Fischaugen-Bildes in das equirektangulare Format. Hier ist zudem das Problem, dass diese Fehler nicht identisch im linken und rechten Bild auftauchen und daher wieder einen unnötigen Unterschied erzeugen, der zu Augenermüdung und Motion Sickness führen kann.

Treppenstufen in manchen Bildbereichen, die dann schlagartig auch wieder aufhören. | Bild: Slam Inc.
Problem 3: Horizontale Streifen
Vor allem in den dunkleren Bereichen sind leichte horizontale Streifen zu erkennen. Etwas aufgehellt scheint es sich um Bildrauschen zu handeln, das jedoch in eine bestimmte Richtung geht. Es ist davon auszugehen, dass diese auch bei helleren Inhalten vorhanden sind, aber nicht mehr deutlich sichtbar sind. Leider führt dieser Effekt auch zu einer weiteren Divergenz zwischen linkem und rechtem Bild.

Horizontale Streifen mit Rauschen. Das linke Bild ist rechts zur besseren Darstellung aufgehellt. | Bild: Slam Inc. Ausschnitt: Daniel Pohl
Die Stärken der Slam Xcam
- Relativ kompakter Formfaktor mit sehr großem Bildschirm, der eine ideale Vorschau bietet und dank Touch auch zum Verändern der Einstellungen benutzt werden kann
- Relativ große Sensoren für eine Kompaktkamera
- Hohe Pixelauflösung für Consumer-VR180-Kameras
- Da das System Android nutzt können andere Apps installiert werden, z.B. um Bilder per Messenger zu verschicken
- In-Camera-Konvertierung der beiden aufgenommenen Fischaugen-Bilder in das allgemeine equirektangulare Format. Viele andere Kameras benötigen dazu einen Verarbeitungsschritt mit spezieller Software am PC.
Die Schwächen der Slam Xcam
- Wer als Hauptfokus VR180-Videos erzeugen will, für den sind die 30 FPS bei 8K-Auflösung gegebenenfalls zu wenig. Diese Auflösung mit 60 fps für VR180 gibt es derzeit jedoch nur in dem mind. 5.000 Euro teuren Canon-Setup mit EOS R5 C und R5 Mark II.
- Die Kamera zeigt einige Probleme in den veröffentlichten Medienaufnahmen (siehe oben), die jedoch voraussichtlich per Software behebbar sind.
- Derzeit sind keine EXIF-Daten (z. B. Verschlusszeit) in den Bildern. Damit ist der GPS-Sensor bisher nicht genutzt.
- Derzeit sieht es nicht so aus als gäbe es die Möglichkeit der (nachträglichen) Horizon Correction wie bei Canon durch das EOS VR Utility. Damit kann man leichte Rotationen bei Fotos und Videos ausgleichen und einen geraden Horizont garantieren.
Fazit
Die Slam Xcam hat das Potenzial, eine erfolgreiche 180VR-Consumer-Kamera zu werden. Der große Touchscreen, die verhältnismäßig großen Sensoren für eine Kompaktkamera, das Android-Betriebssystem und der akzeptable Preis sprechen für einen möglichen Erfolg in der Nische.
Im aktuellen Zustand steht sich die Kamera jedoch selbst im Weg. Die selbst von Slam Inc. zur Verfügung gestellten Aufnahmen zeigen grobe Bildfehler, die die Kamera im aktuellen Zustand fragwürdig erscheinen lassen.
Wer auf keinen Fall mehr als den aktuell reduzierten Kickstarter-Preis bezahlen möchte und genügend Vertrauen hat, dass die bestehenden Probleme noch gelöst werden, kann eine Investition in Erwägung ziehen. Ansonsten empfiehlt es sich, abzuwarten und bei einem späteren höheren Preis zuzuschlagen.
Der Autor Daniel Pohl ist CEO und Gründer der Firma immerVR GmbH. Dort beschäftigt sich Daniel täglich mit den Neuerungen im Bereich immersiver Medien, meistens im Bereich von VR180 Stereofotos und Stereovideos. Mit seiner App immerGallery (Meta Horizon Store, Steam Store) kann man hochimmersive Fotogalerien, hinterlegt mit Voice-Overs und Hintergrundmusiken in verschiedenen VR-Formaten auf den Meta Quest Geräten erleben – auch zusammen im Multiplayer. Die App unterstützt auch Video-Wiedergabe für 2D / 3D, 180° und 360°.
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