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Ein KI-System für Sepsis-Früherkennung registriert 82 Prozent aller Erkrankungen. Es könnte bald tausende Menschenleben retten.

Sepsis zählt zu den häufigsten Erkrankungen im stationären Sektor. Trotz Behandlung versterben etwa 25 Prozent der Patient:innen mit Sepsis und 45 Prozent mit schwerer Sepsis. Ein frühestmöglicher Therapiebeginn erhöht die Überlebenschancen deutlich.

Ursache der Sepsis sind Infektionserkrankungen, die außer Kontrolle geraten. In Deutschland sterben jährlich mehr als 75.000 Menschen an Sepsis. 15.000 bis 20.000 gelten laut Studien als vermeidbar. Damit ist Sepsis die dritthäufigste Todesursache in Deutschland hinter Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen.

Auch in anderen Ländern ist Sepsis eine häufige Todesursache. In den USA entwickeln jährlich ungefähr 1,7 Millionen Erwachsene Sepsis. Mehr als 250.000 von ihnen sterben.

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Die Weltgesundheitsorganisation hat Sepsis 2017 als globale Bedrohung eingestuft und schätzt, dass im selben Jahr 49 Millionen Menschen von Sepsis betroffen und 11 Millionen daran verstorben sind - etwa 20 Prozent der jährlichen, globalen Todesfälle.

Früherkennung bei Sepsis entscheidet über Leben und Tod

Der Erkennungszeitpunkt der Sepsis entscheidet über den Krankheitsverlauf. Je früher Sepsis erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen. Frühe Symptome wie Fieber oder Verwirrung gleichen jedoch denen anderer Erkrankungen und werden so manchmal übersehen.

Forschende der Johns Hopkins Universität haben daher ein KI-Frühwarnsystem für Sepsis entwickelt, das die Krankengeschichte von Patient:innen mit aktuellen Symptomen und Laborergebnissen gemeinsam analysiert und so feststellt, ob ein Sepsisrisiko besteht. Das KI-System schlägt außerdem Behandlungsprotokolle vor, etwa den Einsatz von Antibiotika.

Das "Targeted Real-Time Early Warning System" (TREWS) trackt zudem Patient:innen von ihrer Ankunft im Krankenhaus bis zur Entlassung und soll so sicherstellen, dass keine wichtigen Informationen übersehen werden - auch bei wechselndem Personal oder einer Verlegung.

Die Einführung des Systems an allen Kliniken wurde von Bayesian Health geleitet, einem 2016 aus der Johns Hopkins Universität ausgegliedertem Unternehmen. In mehreren Studien der Johns Hopkins Universität nutzten mehr als 4.000 Mediziner:innen aus fünf Krankenhäusern das KI-System bei der Behandlung von 590.000 Patient:innen. Die Forschenden testeten TREWS Diagnosefähigkeit zudem mit 173.931 früheren Fällen.

Empfehlung

KI-System TREWS schlägt ältere Systeme deutlich

Laut der Studie waren 38 Prozent aller Warnungen von TREWS tatsächliche Sepsisfälle. Insgesamt erkannte das KI-System so 82 Prozent aller Sepsisfälle im Studienzeitraum.

"Dies ist in vielerlei Hinsicht ein Durchbruch", so Mitautor Albert Wu, Internist und Direktor des Johns Hopkins Center for Health Services and Outcomes Research. "Bislang haben sich die meisten Systeme dieser Art viel öfter geirrt, als sie richtig gelegen haben."

Andere elektronische Werkzeuge zur Sepsiserkennung registrieren nur bis zu 33 Prozent aller Sepsisfälle. In der gesamten Anzahl aller Warnungen solcher Systeme machen die tatsächlichen Sepsisfälle zudem nur zwei bis fünf Prozent aus. "Diese Fehlalarme untergraben das Vertrauen", so Wu.

Warnmeldungen von TREWS, auf die innerhalb von drei Stunden reagiert wurde, führten im Schnitt zu einer knapp zwei Stunden früheren Antibiotikabehandlung, schreiben die Autor:innen. Das habe in dieser Gruppe zu einer geringeren Krankenhaussterblichkeit, weniger Organversagen und einer geringeren Aufenthaltsdauer geführt.

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TREWS soll tausende Menschen retten

"Es ist der erste Einsatz einer KI am Krankenbett, die von tausenden Versorgern genutzt wurde und durch die nachweislich Leben gerettet wurden", so Suchi Saria, Gründungsdirektorin des Malone Center for Engineering in Healthcare an der Johns Hopkins University und Hauptautorin der Studien. Sie erwartet, dass TREWS und ähnliche Systeme jährlich Tausenden von Sepsis betroffenen Personen das Leben retten wird.

Saria und ihre Kolleg:innen wollen TREWS in Zukunft auf weitere Risiken neben Sepsis ausweiten. Bereits jetzt habe das Team die Technologie angepasst, um Patient:innen zu identifizieren, bei denen ein Risiko für Druckverletzungen, plötzliche Verschlechterung durch Blutungen, akutes Atemversagen und Herzstillstand besteht.

TREWS sei grundlegend anders als ältere Diagnosesysteme ohne KI-Unterstützung. "Es ist anpassungsfähig und berücksichtigt die Vielfalt der Patientenpopulationen, die besondere Art und Weise, wie Ärzte und Pflegepersonal die Pflege an verschiedenen Standorten durchführen, und die besonderen Merkmale jedes Gesundheitssystems, sodass es wesentlich genauer ist und das Vertrauen der Anbieter gewinnt und angenommen wird", so Saria.

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Zusammenfassung
  • Sepsis gehört zu den häufigsten Todesursachen.
  • Forschende der Johns Hopkins Universität stellen ein KI-Frühwarnsystem für Sepsis vor, das Patientendaten, Symptome und Laborergebnisse gemeinsam analysiert, so das Sepsisrisiko bestimmt und Behandlungen vorschlägt.
  • Das "Targeted Real-Time Early Warning System" (TREWS) erkannte 82 Prozent aller Sepsisfälle. 38 Prozent aller Warnungen von TREWS waren tatsächlich Sepsisfälle. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zu existierenden Systemen.
Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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