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In Großbritannien wurde erstmals ein möglicher therapeutischer Ansatz gegen einen bislang unheilbaren Hirntumor gefunden. Der Durchbruch lässt Expert:innen hoffen, dass KI in Zukunft bei der Heilung unterschiedlichster Krebstypen helfen kann.

Das diffuse intrinsische Ponsgliom (kurz: DIPG) ist ein vergleichsweise seltener, jedoch hochmaligner Hirntumor und macht etwa 10 – 15 Prozent aller pädiatrischen Hirntumore aus. Laut DIPG.org kommt er vorwiegend bei Kleinkindern zwischen fünf und sieben Jahren vor. Mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von neun Monaten ist er damit der häufigste tödliche Hirntumor im Kindesalter.

Aufgrund seiner diffusen Eigenschaft – also seiner ungenauen Begrenzung zum restlichen Gewebe – ist es zudem beinahe unmöglich, den Tumor operativ zu entfernen. Die Heilungschancen für Kinder mit einer Diagnose des tödlichen Krebstyps hatten sich in den letzten fünf Jahrzehnten nicht verbessert.

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz konnten Computerwissenschaftler:innen und Krebsspezialist:innen nun eine neue Medikamentenkombination finden, die sich wirksam gegen den schnell wachsenden Gehirntumor einsetzen lässt. Die Ergebnisse der bahnbrechenden Studie wurden unlängst im Wissenschaftsjournal Cancer Discovery veröffentlicht. Sie veranschaulichen, wie maschinelles Lernen für die Behandlung des Krebstyps erfolgreich und mit zuvor nie dagewesener Geschwindigkeit eingesetzt werden kann.

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KI ermittelt grundlegend neue Behandlungsmethoden aus umfangreicher Wissensdatenbank

Die Ursprungsidee für die Forschung stammte von der Firma BenevolentAI, die eine Plattform zur Entdeckung neuer Medikamente mithilfe von Künstlicher Intelligenz aufgebaut hat. Anhand von Berechnungen mit über 40 Millionen Dokumenten und über einer Milliarde Verbindungskanten in ihrem Wissensgraphen will BenevolentAI neue Erkenntnisse und Einsatzmöglichkeiten über bereits existierende Medikamente finden.

In diesem Fall konnten die Wissenschaftler:innen somit gezielt nach Komponenten suchen, die effektiv gegen die Mutation des Tumors wirken, indem sie die Produktion von dessen ALK2-Protein hemmen. Als Ergebnis ermittelte der Algorithmus vier mögliche Komponenten, die in ihrer Wirkung jedoch zu schwach waren, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Anschließend suchte man daher zusätzlich nach bekannten Wirkstoffen, die bis ins Nervensystem eindringen und somit als Kombinationsarznei gegen den Krebs ankommen konnten.

Als günstigste Kombination stellte sich so der Einsatz der beiden Medikamente Vandetanib und Everolimus heraus. Das ursprünglich von AstraZeneca entwickelte Krebsmedikament Vandetanib ist in den USA bereits seit 2011 zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs durch die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel, FDA (U. S. Food and Drug Administration), zugelassen. In der EU gilt seit 2012 eine bedingte Zulassung. Everolimus wird in den Vereinigten Staaten unter anderem zur Behandlung von Brust-, Magen und Bauchspeicheldrüsenkrebs eingesetzt, und ist seit 2003 ebenfalls in der EU zugelassen.

Erste KI-Therapie im Praxiseinsatz?

Die neue Wirkmittelkombination testete man danach an Gehirnen von Mäusen, die ebenfalls mit DIPG diagnostiziert waren. In der Folge war zu beobachten, dass die Überlebenschancen der Mäuse im Vergleich zu einer herkömmlichen Therapie um 14 Prozent stiegen. Außerdem lag die Vandetanib-Konzentration in den Mäusegehirnen um 56 Prozent höher, als die Zusatzkomponente Everolimus zum Einsatz kam.

In der nächsten Versuchsphase wurden vier an DIPG erkrankte Kinder mit der Medikamentenkombination behandelt. Im Anschluss konnten die Forscher:innen sodann die gewünschten Mutationen im Tumor feststellen. Im nächsten Schritt sollen nun weitaus größer angelegte klinische Studien mit Kindern durchgeführt werden, um zu bestimmen, wie effektiv sich das diffuse intrinsische Ponsgliom tatsächlich eindämmen lässt.

Empfehlung

„In dieser Studie konnte anhand von Künstlicher Intelligenz eine Medikamentenkombination gefunden werden, die sich künftig sehr vielversprechend als Therapie bei Kindern mit unheilbarem Gehirntumor einsetzen lässt“, so Professor Kristian Helin, Leiter des Institute of Cancer Research (ICR) in London, wo die innovative Entdeckung gemacht wurde. „Es ist aufregend, denn dies könnte einer der ersten Fälle sein, in denen eine durch Künstliche Intelligenz gefundene Therapiemethode in Patient:innen eingesetzt wird“, so Helin.

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Sarah ist Mathematikerin, Programmiererin und Teilzeit-Philosophin. Ihr Fokus liegt auf den ethischen und gesellschaftlichen Zukunftsfragen von Künstlicher Intelligenz.
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