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Toyota errichtet ein lebendes Labor für Zukunftstechnologien. Wie sieht die smarte Stadt aus und welchem Zweck dient sie?

Der japanische Autokonzern Toyota will auf einer Fläche von 175 Hektar eine neue Gemeinde errichten. Die auf den Namen „Woven City“ getaufte Stadt soll ein lebendes Labor für Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren werden. Dafür wird die Infrastruktur der Stadt von Grund auf so konzipiert, dass sie automatisierte Technologien ideal ergänzt.

Warum braucht autonomes Fahren smarte Infrastruktur?

Selbstfahrende Vehikel können mit Kamerasystemen, Radar- und Lidarsensoren umfassende und detaillierte Informationen über ihre Umgebung aufnehmen. Denn ein wichtiger Treibstoff für ein autonomes Fahrsystem sind Daten.

Die werden von einem leistungsstarken Rechner über ein KI-System verarbeitet. Dieses System muss einschätzen können, ob beispielsweise ein Überholvorgang sicher ist, wann das Vehikel bremsen muss und wie es sich gegenüber Motorradfahrern und Fußgängern im Straßenverkehr verhalten soll.

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In der chinesischen Großstadt Guangzhou vernetzte Baidu einige Verkehrsabschnitte für seine autonome Taxiflotte. | Bild: Huramaul (Pixabay)

Damit vollautonome Fahrzeuge der Stufe 5, die in keiner Situation mehr auf menschliches Eingreifen angewiesen sind, Realität werden können, müssen die KI-Systeme mit Unmengen an Daten gefüttert werden. Denn sie müssen möglichst alle Verkehrsszenarien verstehen, auch jene, die vom Alltäglichen abweichen: Zwar kann sich eine KI gut an vorgegebene Regeln halten, doch Menschen tun oder können das nicht immer.

Aktuelle Systeme benötigen in den meisten Fällen eine gut ausgebaute Infrastruktur für sicheres Fahren. Neben befestigten Straßen gehören dazu auch klar erkennbare Spurlinien und Verkehrsschilder. Deshalb liegen die meisten Testumgebungen für autonomes Fahren entweder auf klar geregelten Autobahnstrecken oder direkt in Großstadtgebieten.

Um die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung in die Entwicklung einzubeziehen, experimentieren manche Unternehmen und Städte mit einer smarten Infrastruktur. Vor Kurzem führte beispielsweise Baidu einen großen Testlauf durch: In der chinesischen Großstadt Guangzhou stattete der chinesische Tech-Riese gemeinsam mit Partnern ausgewählte Bereiche mit einer KI-Straßeninfrastruktur aus.

Smarte Verkehrsschilder und Ampeln wurden über ein Netzwerk mit der Roboauto-Flotte verbunden und tauschten so Informationen aus. Das autonome Fahrzeug weiß dadurch beispielsweise, wann die Ampel auf der kommenden Kreuzung auf Rot umstellt und kann sich somit schon früh darauf einstellen und vorausplanen. Szenarien wie diese helfen bei der Optimierung des städtischen Verkehrsflusses.

Genau hier könnte der Schlüssel zum sicheren voll automatisierten Verkehr in Innenstädten liegen. So auch Toyota: Der Autokonzern entwirft seine „Woven City“ deshalb von Grund auf mit einer intelligenten Infrastruktur, die später als Blaupause für moderne Großstädte dienen könnte.

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Woven City: Das ist die vernetzte Stadt

Vor mehr als einem Jahr verkündete Toyota-Präsident Akio Toyoda die Pläne für Woven City. Auf der Elektronikfachmesse CES 2020 wurde die Zukunftsstadt in einem Konzeptvideo vorgestellt. Nun startet die Konstruktion.

Im Fokus der Stadt steht Forschung an Künstlicher Intelligenz, Mobilität, Robotik, Smart Home-Konnektivität, Materialwissenschaften und erneuerbaren Energien.

Aus einer alten Autofabrik am Mount Fuji soll eine Gemeinde errichtet werden, die Toyota als „lebendes Labor“ bezeichnet: Normale Menschen gehen dort ihren gewöhnlichen Alltagsbeschäftigungen nach, während Wissenschaftler ihre neuesten Technologien in einer realen Umgebung testen können.

Dabei gehe es Toyota nicht ausschließlich um den eigenen Profit. Forscher und Wissenschaftler aus der ganzen Welt sollen ihre Ideen und Visionen in der künstlichen Stadt umsetzen können. Aus Kollaborationen soll die Technologie von morgen entstehen.

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Für die Planung und Umsetzung der Stadt holte sich Toyota den dänischen Star-Architekten Bjarke Ingels ins Team. Sein Unternehmen ist unter anderem für das Vancouver House und Googles neuen Hauptsitz verantwortlich.

Neues Straßensystem und unterirdische Warenlieferungen

Ingels und sein Team begannen bei der Planung der futuristischen Stadt mit dem Aufbrechen herkömmlicher Straßensysteme. Die gängige Aneinanderreihung von Hauptstraße, Fahrradweg und Bürgersteig wird es in der Woven City nicht mehr geben.

Geplant sind stattdessen drei voneinander losgelöste Verkehrswege: Eine Allee-artige Hauptstraße für autonome emissionsfreie Kraftfahrzeuge, bepflanzte Promenaden für Fußgänger, Fahrräder oder E-Scooter und ein linearer Park, der ausschließlich für Fußgänger konzipiert wird. Diese Verkehrswege sollen ineinander verflochten werden und durch die Häuserblocks der Stadt führen.

Toyotas künstliche Stadt soll über reichlich Grünflächen verfügen.
Toyotas künstliche Stadt soll über reichlich Grünflächen verfügen. | Bild: Toyota

Somit leben die Einwohner größtenteils auf einer Grünfläche ohne CO2-Belastung - vollkommen vernetzt, versteht sich. Die Innenstadt bietet zudem einen zentralen Marktplatz, auf dem sich autonom fahrende mobile Läden wie Marktstände aufstellen.

Die Strom- und Wasserversorgung verläuft unterirdisch. Dort soll auch ein Netzwerk für die autonome Warenlieferung entstehen. Mobile Roboter transportieren Pakete unter der Erde zu den Häusern, die direkt mit diesem Netzwerk verbunden sind.

Die Wohnungen dienen zudem als Testumgebung für neue Technologien wie smarte Haushaltsroboter und werden mit einem Sensor-basierten KI-System ausgestattet sein für automatisierten Wohnservice: Kühlschränke können selbstständig ihre leeren Fächer befüllen lassen und ein Roboter entsorgt die volle Mülltonne.

Smart-Hubs füttern autonome Fahrzeuge mit Daten

Für die Vernetzung der Woven City arbeitet Toyota mit Japans größtem Telekommunikationsanbieter Nippon Telegraph und Telephone Corp zusammen. Senior Vice-President Hiroki Kuriyama sieht in der vernetzten Stadt den nächsten großen Schritt in der Entwicklung autonomer Fahrsysteme.

Ein Marktplatz mit autonom fahrenden mobilen Läden soll die Stadt beleben
Ein Marktplatz mit autonom fahrenden mobilen Läden soll die Stadt beleben. | Bild: Toyota

Bisher würden sich Robo-Autos Daten über ihre Umgebung durch die verbauten Sensoren ausschließlich selbst beschaffen müssen. In der Woven City seien Sensoren und Kameras entlang der Straßen, an Ampeln und Gebäuden verbaut. Sogar Sensoren aus Smartphones könnten wichtige Bewegungsinformationen über ihre Besitzer liefern.

Dieser gigantische Datenstrom wird laut Kuriyama über optische Netzwerke, Datenzentren und die Cloud verarbeitet, wodurch ein digitaler Zwilling der Stadt entstehe. Dieser würde direkt in die KI-Systeme der autonomen Fahrzeuge eingespeist, die dadurch sicher und ohne menschliches Zutun durch die Straßen navigieren könnten.

Wann steht die Zukunftsstadt?

Das gesamte Ökosystem der Stadt soll durch erneuerbare Energien wie Wasserstoff und Solarenergie betrieben werden. Läuft alles nach Plan, können die futuristischen Smart Homes schon 2024 bezogen werden. Wer sich künftig als Woven Citizen bezeichnen darf, wird Toyota entscheiden.

Zum Start sollen etwa 360 Menschen einziehen, darunter Wissenschaftler, Familien, Senioren und Toyota-Mitarbeiter. Später könnte diese Zahl laut dem Konzern auf mehrere Tausend ansteigen. Schon heute habe man über 3.000 Bewerbungen von Einzelpersonen und Unternehmen erhalten.

Titelbild: Toyota, Quelle: Bloomberg

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Josef schreibt für THE DECODER über Robotik, autonomes Fahren, vernetzte Städte und smarte Geräte. Träumt von einem Smart Home, in dem sämtliche Sprachassistenten friedlich koexistieren.
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